Hinweisgebersystem: Das müssen Unternehmen beachten
Viele Unternehmen in Deutschland sind bald dazu verpflichtet, ein sogenanntes Hinweisgebersystem einzuführen beziehungsweise ein bereits bestehendes zu überarbeiten. Was dieses System ermöglichen soll, was es bei der Umsetzung zu beachten gilt und mit welchen Vor- und Nachteilen Unternehmen rechnen müssen, erfährst du jetzt.
Hinweisgebersystem: So funktioniert das Whistleblowing-System
Ein Hinweisgebersystem in Unternehmen soll es Mitarbeitern und anderen Personen ermöglichen, vertrauliche Informationen sicher und diskret zu übermitteln. Diese vertraulichen Informationen können sich zum Beispiel auf mögliche Straftaten oder ethisch-moralische Verstöße beziehen. Ein Hinweisgebersystem erlaubt es Personen, das Fehlverhalten anderer Personen oder Personengruppen zu melden – auch anonym. In diesem Sinne kann man ein Hinweisgebersystem auch als Whistleblowing-System bezeichnen.
Und analog zum Whistleblowing soll ein Hinweisgebersystem nicht für Taten funktionieren, die bereits ausgeübt wurden. Personen, die Kenntnis von einer geplanten Straftat oder der Vorbereitung eines Verstoßes gegen moralische Verpflichtungen erlangen, können auch diese über das Hinweisgebersystem melden.
Ein Hinweisgebersystem besteht aus mehreren Ebenen. Häufig gibt es zunächst eine technische Lösung, mittels derer die Hinweise gemeldet werden können. Das kann zum Beispiel eine Plattform oder auch eine Telefonhotline sein. Die eingebrachten Hinweise werden im nächsten Schritt von bestimmten dafür zuständigen Mitarbeitern ausgewertet. Meist sind es die Ombudsmänner und -frauen, die die Meldungen sichten und sich um sie kümmern. Nach der Auswertung wird darüber beraten, ob und welche weiteren Schritte nötig sind.
Die gesetzlichen Grundlagen der EU-Richtlinie
Ab einer Unternehmensgröße von 50 Mitarbeitern müssen Firmen nun ihre Compliance-Regelungen im Hinblick auf Whistleblowing und den Schutz von Whistleblowern überprüfen und im Notfall aktualisieren. Noch bis Ende des Jahres 2021 haben Unternehmen dazu Zeit.
Seit Inkrafttreten der Richtlinie (EU) 2019/1937 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, auch Whistleblower-Richtlinie genannt, sind Unternehmen in Deutschland angehalten, ein Hinweisgebersystem zu etablieren. In Deutschland wurde zu diesem Zweck das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz erarbeitet, das in großen Teilen der EU-Richtlinie folgt:
- Der Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz zielt, wie auch die EU-Richtlinie, auf die Etablierung eines mehrstufigen Systems ab. Am Vorgang sollen idealerweise mehrere Ebenen beteiligt sein, um einen möglichst korrekten Ablauf zu ermöglichen.
- Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht außerdem vor, dass es keine Vergeltungsmaßnahmen geben darf, wenn Whistleblower Verstöße melden.
- Ein Unterschied zwischen dem Hinweisgeberschutzgesetz und der EU-Richtlinie besteht darin, dass sich das Hinweisgebersystem nicht nur auf Unternehmen und Organisationen beziehen soll. Das Hinweisgeberschutzgesetz soll es auch generell möglich machen, Rechtsverstöße gegen gesetzliche Regelungen zu melden.
- Ein weiterer Unterschied zwischen der EU-Richtlinie und dem Hinweisgeberschutzgesetz ist gerade für Arbeitnehmer begrüßenswert: Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz soll nämlich weiter gehen als die europäische Richtlinie und Arbeitnehmer, die als Whistleblower enttarnt werden, umfangreicher schützen. Abmahnungen und Kündigungen sollen nicht mehr möglich sein, nur weil der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber vorherrschende Missstände aufgedeckt hat.
Diese Hinweisgebersysteme gibt es
Hinweisgebersysteme gibt es in unterschiedlichen Formen. Unternehmen haben die freie Wahl, für welches Hinweisgebersystem sie sich entscheiden. Denn die EU-Richtlinie macht keine konkreten Vorgaben dazu. Zur Auswahl stehen zum Beispiel diese Hinweisgebersysteme:
- Briefkasten: Ein „Kummerkasten“ im Unternehmen kann den Beschäftigten die Möglichkeit geben, Dinge zu melden, die nicht den Vorgaben entsprechen. Das kann anonym erfolgen. Ein Nachteil dieser Methode besteht jedoch darin, dass der Hinweisgeber keine direkte Antwort erhalten kann. Denn die Kommunikation läuft nur in eine Richtung.
- Telefonhotline: Bei einer Telefonhotline ist dagegen ein Mensch am anderen Ende der Leitung. Eine Zwei-Wege-Kommunikation ist damit gegeben. Im Unterschied zum Briefkasten-System haben Beschäftigte hier jedoch nicht die Möglichkeit, lange über ihre Formulierungen nachzudenken. Unter Umständen könnte das Whistleblower davon abhalten, einen Verstoß zu melden.
- Ombudsperson: Auch ein Ombudsmann oder eine Ombudsfrau erlaubt einen Austausch von Mensch zu Mensch. Im Unterschied zu der Telefonhotline-Lösung wissen die Beschäftigten zudem, mit wem sie sich unterhalten. Das wiederum kann die Bereitschaft steigern, Verstöße bekannt zu machen – wenn die Ombudsperson Vertrauen genießt.
- IT-Lösung: Mittlerweile gibt es Anbieter, die bei Bedarf komplett digitale Hinweisgebersysteme aufsetzen können. Damit können Mitarbeiter zum Beispiel über eine Chatfunktion bedenkliches Verhalten melden. Die Anonymität der meldenden Person wird dabei durch spezielle Verschlüsselung sichergestellt.
Die Vor- und Nachteile eines Hinweisgebersystems für Unternehmen
Die Umsetzung der EU-Richtlinie klingt zunächst einmal nach viel Arbeit und Aufwand für Unternehmen. Doch es kann sich für Unternehmen auch lohnen, so ein Hinweisgebersystem aufzubauen. Unter anderem diese Vorteile warten auf Firmen, die ein Hinweisgebersystem korrekt etablieren.
- Schnell auf Fehlverhalten reagieren: Ein Hinweisgebersystem ermöglicht es Unternehmen und Organisationen, schnell auf eventuell vorherrschende Missstände zu reagieren. Denn idealerweise melden die Beschäftigten es sofort, wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen soll. So haben die Entscheider die Möglichkeit, frühzeitig zu handeln und bestenfalls größeren Schaden abzuwenden.
- Reputation bewahren: Unternehmen, die schnell darauf reagieren, wenn etwas nicht so läuft, wie es laufen soll, genießen ein gutes Ansehen bei Beschäftigten, Kunden, Lieferanten und häufig auch in der Öffentlichkeit. Denn das Unternehmen signalisiert, dass ihm etwas daran gelegen ist, Missstände zu aufzudecken und zu beheben – und sie nicht bloß zu vertuschen.
- Zufriedenheit in der Belegschaft steigern: Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Mitarbeiter aus. Die Beschäftigten fühlen sich wertgeschätzt und beachtet. Denn Unternehmen, die die Möglichkeit einräumen, Verstöße oder Fehlverhalten anonym zu melden, signalisieren, dass ihnen etwas an korrektem Verhalten und konstruktivem Umgang miteinander liegt. Das steigert die Zufriedenheit der Mitarbeiter und kann dazu beitragen, dass die Beschäftigten länger ihrem Arbeitgeber länger treu bleiben.
- Employer Branding verbessern: Die sozialen Medien und das Internet generell sorgen dafür, dass sowohl gravierendes Fehlverhalten als auch kleinere Verstöße schnell publik werden. Denn mit ein paar Klicks sind die entsprechenden Meldungen oder Zeitungsartikel tausendfach geteilt. Umgekehrt bedeutet das auch, dass Unternehmen, die richtig reagieren, profitieren können. Arbeitgeber, die zeigen, dass sie sich für die Meinung ihrer Beschäftigten interessieren, erhalten Zustimmung und Beachtung. Gerade beim Kampf um Fachkräfte kann ein positiver Leumund in den sozialen Medien den entscheidenden Unterschied machen. Denn nicht nur Personaler, sondern auch Bewerber informieren sich heutzutage im Internet. Lesen sie dabei positive Dinge über den potenziellen Arbeitgeber, unterschreiben sie vielleicht eher einen Arbeitsvertrag.
Natürlich hat auch ein Hinweisgebersystem Nachteile. Beschäftige und Arbeitgeber sollten sich bewusst sein, dass ein Hinweisgebersystem auch missbraucht werden kann. Zum Beispiel auf diese Weise:
- Kein Whistleblowing, sondern Denunziation: Statt tatsächliche Regelverstöße oder ethisches Fehlverhalten zu melden, wird das Hinweisgebersystem für persönliche motiviertes oder frustabladendes Gemeckere missbraucht. Gerade die Anonymität vieler Hinweisgebersysteme kann dazu beitragen, dass vermehrt Lappalien gemeldet werden oder das Meldesystem dafür genutzt wird, unbeliebte Kollegen bei der Firmenleitung anzuschwärzen.
- Angst vor Überwachungskultur: Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass einige Kollegen es mit dem Hinweisgeben zu ernst nehmen. Wer ohnehin einen Hang dazu hat, vermeintliches Fehlverhalten publik zu machen, könnte von einem anonymen Hinweisgebersystem übermäßig angestachelt werden. Sollte es im Unternehmen Usus werden, dass man seine Kollegen verpetzt, ist der Schritt zur Überwachungskultur nicht mehr weit. Ganz nach dem Motto: Wenn ich verpetzt werde, verpetze ich auch andere Kollegen. Arbeitgeber und Beschäftigte sollten daher genau darauf achten, dass das Hinweisgebersystem nicht für alltägliche Scharmützel missbraucht wird.
- Großer Kostenfaktor: Die Einführung eines funktionieren Hinweisgebersystems ist in der Regel mit hohen Kosten verbunden. Zunächst einmal muss ein System implementiert werden, über das die Verstöße gemeldet werden können. Dann braucht es Personal, das sich um die Bearbeitung der Verstöße kümmert. Außerdem muss die gesamte Belegschaft regelmäßig darüber unterrichtet werden, wie das Hinweisgebersystem genutzt werden kann. So kommen schnell beachtliche Kosten zusammen.
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