Arbeitsunfall: Wie du im Notfall richtig handelst
Ein unachtsamer Moment und schon ist er passiert – der Arbeitsunfall. In einigen Fällen ist der Unfall auf der Arbeit sogar so schlimm, dass der Arbeitnehmer für längere Zeit ausfällt. Wie sieht es in dieser Zeit mit dem Gehalt aus? Und was sollte ich tun, wenn ich einen Arbeitsunfall habe? Wen muss ich informieren und worauf muss ich achten?
Definition: Was macht einen Arbeitsunfall aus?
Tatsächlich ist nicht jeder Unfall, der auf der Arbeit passiert, gleich ein Arbeitsunfall (auch Berufsunfall oder Betriebsunfall genannt). Umgekehrt kann aber beispielsweise ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit (Wegeunfall) die gleichen Folgen für die Versicherung haben wie ein Unfall an der Arbeitsstätte.
Daher ist es zunächst sinnvoll, sich die Definition anzuschauen, was einen Unfall zu einem Arbeitsunfall macht. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) entscheidet in letzter Instanz darüber, wann es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Denn sie zahlt die Leistungen, die mit einem Arbeitsunfall in Verbindung stehen.
Dazu gehören nicht nur die Kosten, die unmittelbar auf den Unfall folgen, wie Behandlungskosten beim Arzt. Auch mit folgenden Leistungen können Arbeitnehmer nach einem Arbeitsunfall rechnen:
- Verletztengeld
- Unfallrente
- Hinterbliebenenrente
- Umschulung
- Umgestaltung des Arbeitsplatzes
- Reha-Maßnahmen
Wann ist es ein Arbeitsunfall?
Die Unfallversicherung definiert Arbeitsunfälle als Unfälle,
Der Unfall an sich ist dabei ein
(Quelle: DGUV)
Daraus ergibt sich, dass nicht nur Arbeitnehmer während ihrer Arbeit einen Arbeitsunfall erleiden können. Auch Kindergartenkinder, Schüler oder Ersthelfer, während sie erste Hilfe leisten, können im Fall der Fälle auf Leistungen der Unfallversicherung hoffen.
Der Versicherungsschutz geht sogar so weit, dass Arbeitnehmer auch während des Betriebssports über die Unfallversicherung versichert sind – sofern nur Beschäftigte des Betriebs an dem Angebot teilnehmen und der Sport der Erhaltung der Arbeitskraft dient.
Unter bestimmten Voraussetzungen sind Arbeitnehmer auch während Betriebsfeiern und Schüler auf Klassenfahrten durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt.
Kein Versicherungsschutz: Betriebsunfall oder nicht?
Die oben genannte Definition gibt auch die Grenzen vor, wann man von einem Arbeitsunfall sprechen kann. Nämlich dann, wenn der Unfall oder die Verletzung zufällig und ohne Zutun von außen eintritt.
Klassisches Beispiel: Ein Kindergartenkind bekommt plötzlich Nasenbluten. Passiert das ohne vorherige Auseinandersetzung mit einem anderen Kind, sondern völlig aus dem Blauen heraus und ohne sonstige Fremdeinwirkung, ist das kein Unfall, der durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt ist.
Das gilt auch für Mitarbeiter, die einen Bürojob ausüben und am Schreibtisch einen Schlaganfall erleiden. Dann haben sie zwar am Arbeitsplatz einen Unfall, es zählt jedoch nicht als Arbeitsunfall, da der Schlaganfall in keinem Zusammenhang zu der Arbeitsaufgabe steht.
Aus diesem Grund sind auch „private“ Aktivitäten am Arbeitsplatz nicht durch die Unfallversicherung abgedeckt. Wenn dir bei der Mittagspause in der Kantine etwas passiert, ist dafür in der Regel die Berufsgenossenschaft nicht zuständig. Denn die Pause gehört nicht zur Arbeitszeit und das Mittagessen in der Kantine nicht zu deinen Arbeitsaufgaben.
Ebenfalls nicht von der Unfallversicherung abgedeckt sind sogenannte Sachwerte. Reißt zum Beispiel die Hose der Arbeitsbekleidung bei einer ungewohnten Bewegung bei der Arbeit, ist das noch kein Fall für die Versicherung. Im Gegenteil: Für diese Art von Kosten muss entweder der Arbeitgeber oder du selbst aufkommen.
Anders sieht es dagegen aus, wenn Dinge kaputt gehen, während du erste Hilfe leistest. Als Ersthelfer hast du einen Anspruch darauf, dass die Unfallversicherung deinen Schaden ausgleicht.
Arbeitsunfall: Worauf muss ich achten?
Solltest du einen Arbeitsunfall haben, ist es wichtig, dass du dich richtig verhältst. Nur so kannst du sicher sein, dass der Versicherungsschutz greift. Gehen wir also davon aus, dass dir bei der Ausübung deiner Arbeit etwas zustößt und die Verletzung so schlimm ist, dass du zu einem Arzt musst.
Dann ist der richtige Ansprechpartner ein sogenannter Durchgangsarzt. Denn ein Durchgangsarzt kennt sich mit Arbeitsunfällen aus und weiß, wie man sich verhalten muss. Dazu gehört auch, dass er einen Bericht schreibt, der alle Details enthält, welche die Berufsgenossenschaft (BG) oder die Unfallkasse benötigt.
Zum Durchgangsarzt muss man übrigens auch dann, wenn es aufgrund eines zurückliegenden Arbeitsunfalls erneut zu Problemen kommt oder wenn Hilfsmittel (zum Beispiel Krücken) oder bestimmte Heilmittel verschrieben werden sollen.
Wenn die Verletzungen nicht schlimm sind, wird dich der Durchgangsarzt vermutlich direkt an deinen Hausarzt überweisen. Jedoch musst du meist in regelmäßigen Abständen wieder zum Durchgangsarzt gehen. Er stellt nämlich nicht nur die erste Diagnose und entscheidet die ersten Schritte, er überwacht auch deine Genesung.
Information der Berufsgenossenschaft und Unfallkasse
Ob dein Arbeitsunfall an die BG oder Unfallkasse gemeldet wird, hängt davon ab, wie lange du nicht arbeiten kannst. Eine Meldung wird in der Regel erst nach drei Werktagen an den Unfallversicherungsträger weitergeleitet.
Arbeitnehmer müssen sich um diese organisatorischen Dinge auch nicht weiter kümmern. Denn diese sind Aufgabe des Arbeitgebers.
Unser Tipp: Es kann jedoch sinnvoll sein, wenn du eine Kopie der Unfallanzeige für deine Unterlagen verlangst. So weißt du, was dein Arbeitgeber an die Unfallversicherung weitergegeben hat. Sollte etwas in der Unfallanzeige nicht stimmen, kannst du auch verlangen, dass die falschen Angaben korrigiert werden.
Wegeunfall: Besondere Art des Arbeitsunfall
Ein Arbeitsunfall muss sich nicht direkt am Arbeitsplatz ereignen. Es gibt auch Situationen, in denen Arbeitnehmer schon versichert sind, bevor sie am Arbeitsplatz erscheinen.
In den meisten Fällen ist nämlich der direkte Weg von der Wohnadresse hin zum Arbeitgeber (und nach der Arbeit wieder zurück) versichert. Jedoch müssen dazu ganz bestimmte Voraussetzungen vorliegen. So darfst du beispielsweise auf deinem Weg zur Arbeit keine privaten Dinge erledigen, damit der Unfall auf dem Weg zur Arbeit noch als Wegeunfall gilt.
Gehst du nach deiner Arbeit noch einkaufen und machst dafür sogar einen Umweg, bist du nicht mehr über die gesetzliche Unfallversicherung gedeckt.
Wer zahlt bei einem Arbeitsunfall?
Wenn du als Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall erleidest, zahlt zunächst dein Arbeitgeber – dazu ist er gesetzlich verpflichtet, sobald du länger als 4 Wochen im Unternehmen bist. Zahlen muss er deinen vollen Lohn oder dein volles Gehalt bis zu 6 Wochen lang.
Allerdings muss dafür eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegen. Die bekommst du in der Regel problemlos, wenn du nach einem Arbeitsunfall zu einem Arzt gehst.
So bist du nach einem Arbeitsunfall finanziell abgesichert
Auch wenn du länger als 6 Wochen ausfällst und damit aus der Lohnfortzahlung fällst, bekommst du weiterhin Geld. Die Art und Höhe des Geldes hängt von dem Verlauf deiner Erkrankung ab. Folgende Geldleistungen kommen dabei in Frage:
- Verletztengeld: Die BG zahlt Verletztengeld, wenn du länger als 6 Wochen auf der Arbeit ausfällst oder an einer anerkannten Berufskrankheit leidest. Verletztengeld bekommst du auch über die Krankenkasse. Es hat außerdem einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Krankengeld: Während Krankengeld nur 70 Prozent deines durchschnittlichen Bruttogehalts abdeckt, kommt die BG für 80 Prozent deines Einkommens auf. Verletztengeld wird bis zu 71 Wochen lang gezahlt. In Ausnahmefällen – beispielsweise bei einem stationären Aufenthalt – sogar noch länger.
- Übergangsgeld: Wenn der Arbeitnehmer nach einem Arbeitsunfall eine Umschulung oder andere berufsfördernde Maßnahme absolviert, bekommt er meist Übergangsgeld. Diese Zahlung ist dafür da, das fehlende Gehalt auszugleichen. Denn während einer Umschulung kann man nicht noch zusätzlich arbeiten. Die Höhe des Übergangsgeldes richtet sich zum einen nach dem Verdienst vor dem Arbeitsunfall, zum anderen aber auch danach, ob noch weitere Familienmitglieder von dem Übergangsgeld leben müssen. In der Regel liegt das Übergangsgeld zwischen 68 und 75 Prozent des Verletztengeldes.
- Pflegegeld: Pflegegeld wird gezahlt, wenn der Arbeitnehmer sich bei dem Arbeitsunfall so schwer verletzt hat, dass er pflegebedürftig ist. Die Höhe des Pflegegeldes richtet sich daher nach dem Pflegegrad des ehemaligen Arbeitnehmers und den Aufwendungen, die für ein selbstbestimmtes Leben nötig sind.
- Rente: Ob eine Rente nach einem Arbeitsunfall gezahlt wird, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Unter anderem spielt der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Rolle dabei, ob und wie der Arbeitnehmer entschädigt wird. Eine Entscheidung trifft letztlich der Rentenausschluss der Unfallversicherung.
- Hinterbliebenenrente: Verunglückt der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitsunfall tödlich, haben die hinterbliebenen Familienangehörigen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Diese Rente soll den Verdienst ausgleichen, der nun von dem Arbeitnehmer nicht mehr erwirtschaftet werden kann.
Anspruch auf Schmerzensgeld nach einem Arbeitsunfall?
In der Regel hast du deinem Arbeitgeber gegenüber keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Denn dieser Anspruch würde nur dann bestehen, wenn du deinem Arbeitgeber oder einer anderen Person Vorsatz nachweisen könntest.
Das wird meist sehr schwierig, denn aufgrund der Fürsorgepflicht geht man davon aus, dass dein Arbeitgeber nur das Beste für seine Arbeitnehmer will – schließlich hat er sie eingestellt, damit sie für ihn bestimmte Arbeit verrichten. Warum sollte er ihnen dann willentlich schaden wollen?
Bei einem Wegeunfall stehen die Chancen dagegen schon etwas besser. Wirst du beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit von einem Auto angefahren, könntest du durchaus einen Anspruch auf Schmerzensgeld haben.
Jedoch hängt auch das von den individuellen Gegebenheiten ab. Solche Dinge solltest du daher unbedingt mit einem Anwalt besprechen. Grundsätzlich empfiehlt es sich jedoch, Beweise und Zeugen zu sammeln, die dir im Fall der Fälle helfen können.
Arbeitsunfall: Droht die Kündigung?
Nach einem Arbeitsunfall machen sich viele Arbeitnehmer nicht nur Sorgen um ihre Gesundheit – die Sorge um den Arbeitsplatz schwingt ebenfalls mit. Denn wer lange ausfällt, ist für das Unternehmen eher finanzielles Risiko als verlässliche Arbeitskraft.
Arbeitnehmer in der Probezeit müssen sich dabei ganz besonders sorgen. Mit dem Kündigungsschutz ist es nämlich nicht weit her, da Arbeitgeber in der Probezeit keine Gründe angeben müssen, wenn sie das Arbeitsverhältnis beenden möchten.
Das sieht nach der Probezeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis schon anders aus. Allerdings hat die Sache einen Haken: Als Grund für eine Kündigung nach der Probezeit gilt nämlich unter bestimmten Voraussetzungen auch eine lange Arbeitsunfähigkeit.
Arbeitnehmer, die aufgrund eines Arbeitsunfalls demnach längere Zeit auf der Arbeit ausfallen, müssen im schlimmsten Fall mit einer Kündigung rechnen. Wem das passiert, der kann natürlich noch versuchen, sich gegen die krankheitsbedingte Kündigung zu wehren. Die Rechtsgrundlage dafür findet sich in Paragraf §242 des BGB. Wie aussichtsreich eine solche Kündigungsschutzklage ist, kann nur ein Anwalt beurteilen.
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