Was sind Verfall- und Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag?
Könntest du auf Anhieb die Frage beantworten, ob dein Arbeitsvertrag Verfall- und Ausschlussfristen enthält? Falls du unsicher bist, solltest du besser nachsehen. Denn diese Fristen können zum Beispiel dazu führen, dass dein Ausgleich für geleistete Überstunden verfällt. Was man unter Verfall- und Ausschlussfristen versteht, wo sie zu finden sind und welche verschiedenen Arten der Fristen man unterscheidet, erfährst du im Folgenden.
Definition: Was versteht man unter Verfall- und Ausschlussfristen?
Als Ausschlussfrist bezeichnet man eine Frist, nach deren Ablauf bestimmte Ansprüche verfallen. Solche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis können nach Fristende der Ausschlussfrist also nicht mehr geltend gemacht werden, selbst wenn sie dir rechtlich betrachtet zweifellos zugestanden hätten.
Zu typischen Beispielen für Ansprüche im Arbeitsvertrag, die von Verfall- und Ausschlussfristen betroffen sind, zählen:
- Offene Forderungen nach noch zu zahlendem Lohn oder Gehalt
- Finanzieller Ausgleich für Überstunden
- Finanzielle Abgeltung des noch bestehenden Urlaubsanspruchs
- Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Offene Spesenabrechnungen
Obwohl sich die oben genannten Beispiele in erster Linie auf finanzielle Leistungen beziehen, muss dieser Zusammenhang nicht zwingend bestehen. Verfall- und Ausschlussfristen können sich auf Ansprüche jedweder Art beziehen, die sich aus dem Arbeitsvertrag ergeben.
Andere Bezeichnungen für Ausschlussfristen sind:
- Verfallfristen
- Verfallklausel
- Präklusionsfrist
Auch Arbeitgeber können von Verfall- und Ausschlussfristen betroffen sein. In der Regel werden solche Fristen dann relevant, wenn es um Ansprüche auf Schadenersatzforderungen geht. Auch diese können verfallen, wenn Arbeitgeber sie nicht rechtzeitig gegenüber ihren (ehemaligen) Mitarbeitern geltend machen.
Gründe für Ausschlussfristen
Arbeitgeber halten Ausschlussfristen aus bestimmten Gründen im Arbeitsvertrag fest. Ohne Ausschlussfristen müssten sie zum Beispiel viele Jahre lang die entsprechenden Nachweise über die geleisteten Arbeitsstunden eines jeden Arbeitnehmers aufbewahren. Diese Unterlagen würden zum Beispiel dann relevant werden, wenn ein Arbeitnehmer behauptete, seine Überstunden seien ihm nicht vergütet worden.
Sind im Arbeitsvertrag oder in einem anderen Vertragswerk dagegen entsprechende Verfall- und Ausschlussfristen festgehalten, müssen Arbeitgeber solche Dokumente nur bis zum Ablauf derselben Frist aufbewahren.
Unterschied zur Verjährung
Oberflächlich betrachtet scheint das Resultat mit der Verjährung vergleichbar zu sein: Nach einem bestimmten Zeitraum verfallen Ansprüche, die man gegenüber einer anderen Partei hat. Deshalb fragen sich viele Arbeitnehmer, die sich zum ersten Mal mit den Verfall- und Ausschlussfristen beschäftigen, wo nun eigentlich der Unterschied zur Verjährung liegt.
Im Prinzip kommt der Unterschied nur dann zum Tragen, wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt. Verfall- und Ausschlussfristen werden in diesem Fall automatisch vom Arbeitsgericht geprüft, also auch dann, wenn sich der Antragsteller oder die Gegenseite nicht extra darauf beruft. Eine Verjährung prüft das Gericht dagegen nur, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird.
Eine Verjährung führt dazu, dass der Beklagte die Leistung verweigern kann. Ausschlussfristen dagegen haben zur Folge, dass der Anspruch allgemein erlischt.
Ein- und zweistufige Ausschlussfristen
Verfall- und Ausschlussfristen kommen in zwei unterschiedlichen Ausprägungen vor. Man unterscheidet:
- Einstufige Ausschlussfristen: Einstufige Verfall- und Ausschlussfristen laufen nach einer gewissen Zeit ab. Nehmen wir an, die Ausschlussfrist betrage drei Monaten. Macht der Beschäftigte seinen Anspruch nicht innerhalb dieser Frist geltend, verfällt er. Wichtig: Die festgesetzte Frist muss dabei für beide Seiten gelten und gleich lang ausfallen. Es ist nicht möglich, dass der Arbeitgeber nur seinem Beschäftigten die Verfall- und Ausschlussfristen auferlegt. Tut er das, ohne dass er selbst davon betroffen wäre, ist die Ausschlussfrist ungültig.
- Zweistufige Ausschlussfristen: Bei zweistufigen Ausschlussfristen folgt nach der ersten Stufe (Geltendmachung des Anspruchs) noch eine zweite. Neben der Frist von zum Beispiel drei Monaten, innerhalb derer der Kläger seine Ansprüche geltend machen muss, gibt es noch eine weitere Stufe für den Fall, dass der Beklagte der Forderung nicht zustimmt – etwa, wenn der Arbeitgeber sich weigert, geleistete Überstunden zu vergüten oder anderweitig auszugleichen. Zweistufige Ausschlussfristen definieren, im Gegensatz zu den einstufigen Ausschlussfristen, zusätzlich den Zeitraum, den der Kläger hat, um eine Klage vor Gericht einzureichen. Lässt er diesen Zeitraum verstreichen, ohne dass eine Klage bei Gericht eingegangen ist, verfällt der Anspruch endgültig. Zweistufige Verfall- und Ausschlussfristen bestehen also aus einer ersten, außergerichtlichen und einer zweiten, gerichtlichen Stufe.
Wo finde ich Verfall- und Ausschlussfristen?
Arbeitnehmer fragen sich häufig, wo sie die Verfall- und Ausschlussfristen finden, die für sie gelten. In der Regel sind diese in folgenden Verträgen zu suchen:
- Arbeitsvertrag
- Tarifvertrag
- Betriebsvereinbarung
Hin und wieder vereinbaren Arbeitgeber Verfall- und Ausschlussfristen aber auch in Sozialplänen. Bei kirchlichen Arbeitgebern sind Verfall- und Ausschlussfristen in sogenannten Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) festgeschrieben.
Was ist bei Verfall- und Ausschlussfristen zu beachten?
Die wohl wichtigste Information zu Verfall- und Ausschlussfristen: Sie gelten auch dann, wenn Arbeitnehmer davon keine Kenntnis haben. Das kommt in der Praxis leider immer wieder vor. Grund dafür, dass Arbeitnehmer nicht wissen, dass für sie bestimmte Verfall- und Ausschlussfristen gelten, sind häufig auf den ersten Blick unkonkrete Regelungen im Arbeitsvertrag. Dort wird dann beispielsweise nicht explizit auf Verfall- und Ausschlussfristen verwiesen, sondern zum Beispiel auf einen Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung. Erst dort finden sich dann die Fristen, die für die Beschäftigten gelten und die letzten Endes dafür verantwortlich sind, dass die Ansprüche verfallen. Arbeitnehmer sollten ihren Arbeitsvertrag daher genau überprüfen und sicherstellen, dass Verfall- und Ausschlussfristen nicht über irgendeine Hintertür eingebaut worden sind.
Wie können Arbeitnehmer Ansprüche geltend machen?
Wenn Arbeitnehmer entsprechend befristete Ansprüche geltend machen möchten, müssen sie zunächst sicherstellen, dass sie die im Vertrag festgehaltene Frist auch einhalten. Ist dieser Umstand gegeben, müssen Arbeitnehmer ihre Ansprüche zudem schriftlich geltend machen. Der Gesetzgeber spricht dabei von „Textform“ und meint, dass die Ansprüche der Gegenseite schriftlich zugehen müssen.
Unwirksamkeit von Verfallklauseln: Wann sind Ausschlussfristen unwirksam?
Arbeitgeber dürfen nicht jeden beliebigen Anspruch durch Verfall- und Ausschlussfristen ausschließen. Es ist beispielsweise nicht möglich, den Mindestlohn zu unterwandern. Sollten sich darauf abzielende Verfall- und Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag finden, sind diese automatisch ungültig.
In der Regel werden Verfall- und Ausschlussfristen nicht für jeden Arbeitsvertrag einzeln ausformuliert. Meist handelt es sich bei den Fristen, denen Arbeitnehmer zustimmen sollen, um vorformulierte Vertragsbedingungen. Derartige Formulierungen sind wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen: Für AGB gilt, dass sie unwirksam sind, wenn sie den Arbeitnehmer unverhältnismäßig benachteiligen. Dabei gelten die geltenden Gesetze als Referenz für die Beurteilung. Sollten Verfall- und Ausschlussfristen von aktuellen gesetzlichen Regelungen abweichen, sind sie daher automatisch unwirksam.
Sollte der Arbeitgeber versuchen, mithilfe von Verfall- und Ausschlussfristen in den gesetzlichen Urlaubsanspruch einzugreifen, ist auch dieses Vorgehen unwirksam. Der gesetzliche Mindesturlaub kann nicht durch Ausschlussfristen beeinflusst oder verringert werden.
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