Frugalismus: Mit Sparsamkeit zu finanzieller Unabhängigkeit
Viele Menschen haben keine Lust darauf, den Großteil ihres Lebens zu arbeiten. Eine Möglichkeit, den Job frühzeitig an den Nagel hängen zu können, kann Frugalismus darstellen. Frugalisten sparen einen Großteil ihres Einkommens, um den Ruhestand vorziehen zu können. Hier erfährst du, wie das Modell funktioniert, für wen es sich eignen kann und welche Vor- und Nachteile der Frugalismus hat.
Was bedeutet Frugalismus?
Frugalismus bedeutet eigentlich nichts anderes als Sparsamkeit. Das englische Wort „frugal“ heißt sparsam, bescheiden, spärlich oder anspruchslos; als französisches Wort lässt es sich mit bedürfnislos oder genügsam übersetzen. Ein frugaler Mensch ist damit zunächst einmal ein Mensch, der sein Geld bei sich behält und keine großen Ausgaben hat.
Frugalismus steht jedoch noch für mehr als eine sparsame Lebensweise. Es ist auch die Bezeichnung für einen Trend aus den USA. Dort kennt man den Ansatz auch als FIRE-Bewegung, kurz für Financial Independence, Retire Early (finanzielle Unabhängigkeit, frühzeitig in Rente gehen). Die Idee: Man spart frühzeitig viel Geld an, um finanziell unabhängig zu werden. Das Ziel vieler Frugalisten ist es, sich schon deutlich früher aus dem Erwerbsleben verabschieden zu können – zum Beispiel schon mit Anfang 40.
Hinter dem Trend zum Frugalismus steckt der Wunsch nach mehr Freiheit. Frugalisten wollen nicht auf ihre Arbeit angewiesen sein, um das nötige Geld zum Leben zu erwirtschaften. Dabei bedeutet ein frugalistisches Leben nicht zwingend, dass man in der finanziellen Unabhängigkeit gar nicht mehr arbeitet. Wer genügend Geld angespart hat, ist jedoch frei, das zu tun, was ihm Freude bereitet – unabhängig davon, ob und wie viel Geld es einbringt.
Frugalismus geht Hand in Hand mit einem anderen Trend: Minimalismus. Dabei geht es darum, sich auf das Nötigste zu beschränken – in seiner Einrichtung und Lebensweise, aber auch in der Freizeitgestaltung oder in Beziehungen mit anderen. Auch Minimalismus erfordert es, den Blick auf das Wesentliche zu richten und auf Dinge zu verzichten, die man nicht wirklich braucht. Eine minimalistische Grundhaltung hilft, Ausgaben zu senken oder bestimmte Ausgaben ganz einzusparen. Damit ist minimalistisches Denken hilfreich, um genügend Geld für die finanzielle Unabhängigkeit ansparen zu können.
Wie kann Frugalismus funktionieren?
Wer darüber nachdenkt, frugalistisch zu leben, um finanziell unabhängig zu werden, sollte gut überlegen, ob Frugalismus für ihn tatsächlich machbar ist. Grundsätzlich hat das Konzept zwei Komponenten:
- Du musst dazu in der Lage sein, genügend Geld anzusparen, um Vermögen für später aufbauen zu können.
- Angespartes Geld musst du gewinnbringend anlegen, um es zu vermehren.
Frugalistisch leben heißt viel sparen
Wer ein frugalistisches Leben führen möchte, kann das nur mit der richtigen Grundhaltung schaffen. Frugalismus erfordert es, einen anderen Blick auf finanzielle Dinge zu entwickeln. Ohne viel Sparen geht es nicht, Frugalismus bedeutet Verzicht und Entbehrungen. Du musst Dinge, die du für selbstverständlich hältst, überdenken – andernfalls wirst du es nicht schaffen, genügend Geld zu sparen.
Ansatzpunkte für Einsparungen sind sowohl deine Fixkosten als auch Extra- und Sonderausgaben. Sparen kannst du unter anderem an:
- Urlauben, indem du ganz darauf verzichtest oder sehr günstig Urlaub machst
- Ausgaben für den Besuch von Restaurants, Cafés oder Bars
- Ausflügen und damit verbundenen Kosten
- Freizeitaktivitäten, die Geld kosten, etwa Kinobesuche, Schwimmbadbesuche, Theater oder Sport
- Fahrtkosten und Kosten für dein Auto
- Kleidung
- Mietkosten durch einen Umzug in ein günstigeres Zuhause
- Kosten für Versicherungen und Verträge, etwa deinen Mobilfunkvertrag oder deine Mitgliedschaft im Fitnessstudio
- Kosten für Lebensmittel, indem du günstigere Lebensmittel wählst
Frugalismus erfordert es, dass du deine Ausgaben stark reduzierst. Außerdem solltest du überlegen, ob du durch den Verkauf von Dingen, die du nicht mehr brauchst, zusätzliches Geld einnehmen kannst. Womöglich hast du Kleidung, die du gar nicht trägst, möchtest dich von deinem Auto trennen oder löst deine Plattensammlung auf.
Daneben solltest du schauen, dass du neue Anschaffungen günstiger bekommst – zum Beispiel, indem du vieles gebraucht kaufst. Manche Käufe sind außerdem gar nicht wirklich notwendig, weil du zum Beispiel kaputte Gegenstände reparieren kannst. Überleg dir gut, was du wirklich brauchst. Vor allem Impulskäufe stehen einer frugalistischen Lebensweise im Weg.
Gespartes anlegen
Einsparungen sind das A und O auf dem Weg zu finanzieller Unabhängigkeit. Im zweiten Schritt musst du überlegen, wie du das gesparte Geld am besten anlegen kannst, damit es mehr wird. Dabei hast du verschiedene Optionen, solltest aber auf eine relativ hohe Rendite achten.
Um genug Rendite zu erwirtschaften, kommst du an risikoreicheren Anlageformen wie Aktien meist nicht vorbei. Auch ETFs und Aktienfonds können gute Optionen sein. Es ist sinnvoll, dein Geld auf verschiedene Anlageformen zu verteilen, um so das Risiko zu verringern. Lass dich diesbezüglich am besten beraten, um die richtige Entscheidung zu treffen.
Ganz grundsätzlich solltest du überlegen, was für dich machbar ist. Wie viel Geld kannst du monatlich von deinem Einkommen zurückbehalten? Kannst du das über eine lange Zeit durchhalten? Frugalismus geht mit vielen Jahren des Verzichts einher. Bist du bereit, viele Jahre lang extrem sparsam zu leben und nicht alles machen zu können, was du vielleicht gerne machen würdest?
Ein anderes Verhältnis zu Geld und Konsum zu entwickeln kann eine Weile dauern. Es lohnt sich, frühzeitig deine Einstellung dazu zu verändern. Überdenke dein Konsumverhalten und widerstehe dem Drang, ständig Dinge zu kaufen, die du gar nicht wirklich brauchst. Wenn du das einige Zeit durchhältst, kann ein dauerhaft frugalistisches Leben gelingen.
Wie viel Geld sollte man ansparen, um davon leben zu können?
Ganz konkret stellt sich beim Frugalismus die Frage, wie viel Geld man jeden Monat beiseitelegen muss, um später finanziell unabhängig zu werden. Darauf gibt es allerdings keine pauschale Antwort, denn es kommt auf deine persönlichen Umstände an.
Entscheidend ist, welche Kosten du hast und auch weiterhin haben wirst. Was brauchst du zum Leben? Versorgst du nur dich oder eine ganze Familie? Welchen Lebensstandard möchtest du auch künftig halten? Rechne gut durch, was du brauchst, um dir die wirklich wichtigen Dinge weiterhin leisten zu können. Das Ergebnis entscheidet darüber, wie viel Geld du einsparen musst.
Die Vier-Prozent-Regel als Faustregel
Als Faustregel kann dir die sogenannte Vier-Prozent-Regel helfen. Wissenschaftler der Trinity-Universität in Texas haben im Jahr 1998 eine Studie durchgeführt, bei der es darum ging, wie viel Geld man pro Jahr vom eigenen Vermögen wegnehmen kann, ohne innerhalb von 30 Jahren pleite zu gehen. Das Ergebnis: vier Prozent vom Startkapital. Diese vier Prozent – oder ein Fünfundzwanzigstel – entsprechen dem Geld, welches du pro Jahr benötigst, wenn du nicht mehr arbeitest.
Angenommen, du kommst im Jahr mit 30.000 Euro aus. Dann rechnest du diesen Betrag mal 25 und kommst so auf 750.000 Euro, die du ansparen musst, bevor du finanziell unabhängig bist. Brauchst du 40.000 Euro pro Jahr, beläuft sich der anzusparende Betrag schon auf eine Million Euro.
Dabei kommt es natürlich auch darauf an, wie viel Geld du grundsätzlich zur Verfügung hast und wie viel du davon monatlich anlegen kannst. Du solltest mindestens ein Drittel deiner Einnahmen sparen, besser mehr. Viele Frugalisten sparen bis zu drei Viertel ihrer Einkünfte für später an. Diese beiden Komponenten – die Höhe deiner Einnahmen und der Teil der Einnahmen, den du monatlich beiseitelegen kannst – entscheiden darüber, wie lange du sparen musst. Es kann also zehn oder auch 20 Jahre dauern.
Was für Frugalismus spricht
Das Modell Frugalismus hat einige Vorteile. Im besten Fall klappt alles wie geplant, und du kannst einige Jahre beziehungsweise Jahrzehnte vor dem regulären Renteneintritt aufhören zu arbeiten. Dann hast du Zeit, dein Leben so zu gestalten, wie du es möchtest – mit deiner Familie, einem Hobby, das dir wichtig ist, oder auch einer Arbeit, die du vollkommen freiwillig machst.
Selbst, wenn das Geld am Ende doch nicht reicht, um ganz mit der Arbeit aufzuhören, kann eine frugalistische Lebensweise Vorteile mit sich bringen. Ein Resultat von Frugalismus kann zum Beispiel sein, dass man sein Konsumverhalten überdenkt. Was braucht man wirklich? Frugalismus ermöglicht den Blick auf das Wesentliche. Das kann dir auch abseits eines vorgezogenen Ruhestands helfen, deine Ausgaben zu verringern und mehr Geld zum Leben zu haben.
Viele Menschen, die frugalistisch leben, glauben nicht (mehr) daran, dass man materielle Dinge braucht, um glücklich zu sein. Oft sind es die Beziehungen zu anderen Menschen, sinnstiftende Hobbys und Interessen oder einfach die kleinen Dinge des Lebens, auf die es ankommt. Das kann unabhängig von finanziellen Aspekten eine Erkenntnis sein, die das Potenzial hat, dein Leben zu ändern.
Die Grenzen des Frugalismus
Zugleich hat das Konzept des Frugalismus nicht nur Vorzüge. Es gibt auch Kritik an dem Ansatz. Eines der gewichtigsten Argumente: Frugalistisch leben kann nur, wer es sich leisten kann. Zwar erfordert Frugalismus Sparsamkeit, aber es braucht eben auch das nötige Geld, um genügend ansparen zu können. Deshalb können sich nur wenige Menschen einen Ruhestand mit 40 Jahren ermöglichen.
Wer kein Top-Verdiener ist, wird es schwer haben, genügend beiseitezulegen. Arbeitnehmer, die in ihrem Job nur den Mindestlohn erhalten, werden kaum mit 40 Jahren in Rente gehen können, egal, wie sparsam sie sind. Trotzdem kann es sich auch unter solchen Umständen lohnen, über viele Jahre Geld zu sparen. So kann man in vielen Fällen zumindest einige Jahre früher in Rente gehen.
Kritik am Frugalismus entzündet sich auch an der Machbarkeit im weiteren Sinn. Wer über viele Jahre nie Geld hat, um einen schönen Urlaub zu machen oder sich etwas zu gönnen, ist darüber womöglich unzufrieden. Für kurze Zeit mag sich eine finanzielle Durststrecke relativ problemlos überbrücken lassen, einige Jahre oder Jahrzehnte lang durchzuhalten ist hingegen deutlich schwerer.
Ein früher Ruhestand kann viel Stress im Vorfeld bedeuten
Gerade Gutverdiener – die einzigen, für die das Modell des frühen Ruhestands infrage kommt – sind oft einen gewissen Standard gewöhnt. Es kann eine Herausforderung sein, plötzlich auf gewisse Annehmlichkeiten zu verzichten. Nicht jeder kann sein Leben noch voll genießen, wenn er sich überall einschränken muss. Bedenke auch, dass du nicht nur bis zum Beginn des vorgezogenen Ruhestands, sondern auch darüber hinaus mit wenig Geld zurechtkommen musst.
Nicht zuletzt solltest du bedenken, dass man nie weiß, was morgen ist. Es kann zum Beispiel passieren, dass du krank wirst und deinen vorgezogenen Ruhestand gar nicht richtig genießen kannst. Im schlimmsten Fall hast du so einen großen Druck, genügend Geld zu verdienen, dass du über lange Zeit sehr hart arbeiten musst. Das geht an deinem Körper wahrscheinlich nicht spurlos vorbei und kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere Probleme hervorrufen.
Du solltest auch darüber nachdenken, was ein frugalistisches Leben für andere Menschen bedeutet. Wenn du einen Partner oder eine Familie hast, kannst du nicht einfach über die Köpfe der anderen hinweg entscheiden, dass ab jetzt eisern gespart wird. Womöglich ist nicht jeder in deiner Familie dazu bereit, sich stark einzuschränken, oder es könnten sich Probleme daraus ergeben – etwa, wenn dein Kind kein Geld mehr hat, um an bestimmten Erfahrungen teilhaben zu können.
Niedrigere Durchschnittseinnahmen bedeuten eine niedrigere Rente
Ein weiterer möglicher Nachteil der frühzeitigen Rente: Nicht immer ist der Ruhestand so toll wie gedacht. Vielen Menschen fehlt eine Aufgabe oder schlicht die Struktur des Arbeitsalltags. Womöglich stellst du später fest, dass du doch weiter einer irgendwie gearteten Berufstätigkeit nachgehen möchtest. Das ist zwar nicht schlimm, aber dann hättest du dich in all den Jahren davor nicht so limitieren müssen.
Nachteilig am vorgezogenen Ruhestand ist zudem, dass du auch geringere Rentenansprüche erwirbst. Die Altersrente bemisst sich an den Einkünften während deines Erwerbslebens. Wenn diese insgesamt gering waren, weil du viele Jahre früher als eigentlich möglich mit der Arbeit aufgehört hast, macht sich das in einer niedrigeren Altersrente bemerkbar.
Bildnachweis: Tinnakorn jorruang / Shutterstock.com