Ein Mann übt Kritik am Chef

Kritik am Chef formulieren: Das ist wichtig

Kritik am Chef üben – das klingt für einige Arbeitnehmer unvorstellbar. Dabei kann es durchaus positive Seiten haben, wenn man seinen Vorgesetzten kritisiert. Warum du zumindest darüber nachdenken solltest, hin und wieder auch Kritik an deinem Chef zu üben und worauf du achten solltest, haben wir für dich zusammengefasst.

Warum Arbeitnehmer Kritik am Chef vermeiden

Am Arbeitsplatz ist man gegenüber seinem Chef als Mitarbeiter in der schwächeren Position. Naturgemäß sitzt der Vorgesetzte am längeren Hebel, sein Wort hat mehr Gewicht.

Doch so bedrückend, wie einige Mitarbeiter befürchten, ist die Lage nicht. Das liegt unter anderem am sogenannten Betriebsverfassungsgesetz (BVerfG). Darin ist geregelt, dass ein Arbeitnehmer, der berechtigte Kritik an seinem Vorgesetzten äußert, dadurch keine Nachteile erfahren darf. So jedenfalls sieht es das Gesetz vor.

1. Vorurteile Vorgesetzten gegenüber

Ein weiterer Grund, warum Arbeitnehmer es vermeiden, Kritik am Chef zu formulieren, beruht auf einer Fehlannahme, einem häufigen Vorurteil: Umfragen legen nahe, dass die Mehrzahl der befragten Arbeitnehmer davon ausgeht, ihr Chef sei überhaupt nicht kritikfähig.

Dieses Vorurteil mag auf manche Chefs zutreffen, jedoch sicherlich nicht auf alle Vorgesetzten gleichermaßen. Einige Chefs sind sogar erfreut darüber, wenn sie ehrliches und konstruktives Feedback von ihren Mitarbeitern erhalten. Sie wissen, dass sie sich nur durch konstruktive Kritik verbessern können.

Bedenke, dass es solche Vorurteile gibt, und wäge ab, ob du deinem Chef deshalb hilfreiches Feedback vorenthalten möchtest. Du schadest damit nicht nur ihm, sondern häufig auch dir selbst und anderen Beschäftigen im Unternehmen. Denn du nimmst ihm die Chance, Veränderungen anzustoßen und für bessere Rahmenbedingungen im Unternehmen zu sorgen.

2. Angst vor Retourkutsche

Viele Beschäftigte haben Angst vor einer Retourkutsche des Vorgesetzten. Auch diese Angst beruht auf der Annahme, dass die Führungskraft nicht an ehrlicher Kritik interessiert sei, sondern jede Form von Verbesserungsvorschlägen als Majestätsbeleidigung auffasst. Sicherlich gibt es solche Chefs. Die Frage ist jedoch generell, ob du in einem derartigen Arbeitsumfeld lange glücklich sein kannst.

Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wenn du relativ zügig feststellst, dass in dem Unternehmen offene Kommunikation nicht gewollt ist. Das gibt dir die Chance, dich nach einem anderen Arbeitgeber umzusehen, der an deiner ehrlichen Meinung und deinen Vorstellungen interessiert ist.

Kritik am Chef formulieren: So kann es gelingen

Klar ist also: Wer den Chef kritisieren möchte, muss das konstruktiv und wertschätzend tun. Wenn sich bei dir über viele Wochen Frust angesammelt hat und du deinem Chef die Meinung sagen möchtest, ist ein Feedbackgespräch sicherlich der falsche Rahmen. Davon abgesehen solltest du es ohnehin unterlassen, deinem Chef mit destruktiver Kritik vor den Kopf zu stoßen. Denn das ist die Art von Kritik, die negative Folgen für dich haben könnte.

Wie kann konstruktive Kritik an Vorgesetzten also gelingen? Folgende Beispiele dafür, wie du Kritik am Chef üben kannst, können dir helfen:

  1. Unter vier Augen äußern: Dein Chef ist immer noch dein Chef. Er mag locker drauf sein und konstruktive Kritik zu schätzen wissen. Achte aber in jedem Fall darauf, dass du ihm den nötigen Respekt entgegenbringst. Der äußert sich nicht nur in der korrekten Wortwahl, sondern auch im richtigen Setting des Feedbackgesprächs. Sorge dafür, dass ihr beide ungestört seid. Andere Mitarbeiter des Unternehmens sollten nicht hören, was du deinem Chef zu sagen hast. Du solltest deinen Vorgesetzten nicht ohne triftigen Grund vor anderen Mitarbeitern in Verlegenheit bringen.
  2. Zeit nehmen: Ein gutes Gespräch, bei dem jede Seite ihren Standpunkt darlegen kann, braucht Zeit. Das heißt auch, dass du nicht zwischen Tür und Angel deinen Chef kritisieren solltest. Vereinbare stattdessen einen Termin mit ihm. 15 bis 30 Minuten solltest du einplanen, um deine konstruktive Kritik darlegen zu können.
  3. Gespräch vorbereiten: In einem persönlichen Gespräch ist die Zeit oft knapp. Dein Chef hat in der Regel viele Termine und er wird auch Nachfragen zu deiner Kritik stellen. Es ist daher sinnvoll, das Feedbackgespräch vorzubereiten. Notiere dir die wichtigsten Punkte, die du mit ihm besprechen möchtest, und illustriere sie mit Beispielen.
  4. Lösung anbieten: Wirklich konstruktiv wird deine Kritik am Chef, wenn du nicht nur sagst, was dich gestört hat, sondern auch anmerkst, wie man das Problem aus deiner Sicht beheben könnte. Wenn du in den letzten Wochen deutlich mehr Arbeitsaufgaben übernehmen musstest und darüber mit deinem Chef sprechen möchtest, kannst du das beispielsweise so tun: „Herr Meier, wie Sie wissen, habe ich in letzter Zeit aufgrund des umfangreichen Projekts für den Kunden Müller deutlich mehr Aufgaben übernommen. Das mache ich natürlich gerne und bearbeite auch diese Aufgaben mit der größten Sorgfalt. Ich würde mich jedoch darüber freuen, wenn sich mein größerer Arbeitseinsatz auch in einer Gehaltserhöhung oder in zusätzlicher Freizeit widerspiegeln würde.“
  5. Feedbackregeln einhalten: Zu konstruktiver Kritik – nicht nur am Vorgesetzten – gehören die sogenannten Feedbackregeln. Damit ist unter anderem gemeint, dass du deine Kritik sachlich und objektiv nachvollziehbar äußern solltest. Hüte dich davor, die eigentlich als konstruktiv geplante Kritik dafür zu missbrauchen, deinem Chef die Meinung zu geigen. Informiere dich vor dem Gespräch mit deinem Chef darüber, wie man wertschätzendes und sachliches Feedback gibt.
  6. Perspektive wechseln: Wenn es dir schwerfällt, die Feedbackregeln an jeder Stelle des Kritikgesprächs einzuhalten, könnte dir folgender Tipp helfen: Versuche dich in deinen Chef hineinzuversetzen. Wie würdest du auf dieselbe Kritik reagieren? Behalte dabei im Hinterkopf, dass die Kritik von einer Person stammt, die in der Hierarchieebene des Unternehmens unter ihm steht.

Den Chef kritisieren: Das solltest du unterlassen

Wenn du Kritik an deinem Chef äußern möchtest, eignen sich bestimmte Vorgehensweisen. Es gibt außerdem bestimmte Verhaltensweisen, die du dir dabei unbedingt verkneifen solltest:

  1. Nicht schriftlich äußern: Du könntest in Versuchung geraten, deine Kritik schriftlich, zum Beispiel per E-Mail zu äußern. Vermeide das. Schriftliche Kritik wirkt distanziert, sie bietet vielleicht sogar mehr Konfliktpotenzial als ein persönliches Gespräch. Außerdem könnte alles, was du verschriftlichst, irgendwann gegen dich verwendet werden. Unter Umständen braucht dein Chef in einigen Jahren einen Vorwand, um sich von dir zu trennen. Da könnten per Mail geäußerte Kritikpunkte genau der richtige Anlass sein.
  2. Andere Mitarbeiter nicht hineinziehen: Lasse dich außerdem nicht dazu hinreißen, Kollegen in dein Kritikgespräch mit deinem Vorgesetzten hineinzuziehen. Sagst du zum Beispiel, dass deine Kollegen und du in letzter Zeit zu viel zu tun hatten, kann das nach hinten losgehen. Dein Chef wird dich vermutlich fragen, welcher Kollege das denn genauso sieht. Und dann gibt es für dich nur zwei Möglichkeiten: Entweder verpetzt du deine Kollegen oder aber du nennst keine Namen und schwächst damit dein Argument.
  3. Mit Kündigung drohen: „Wenn Sie mir nicht mehr Geld bezahlen wollen, muss ich eben einen anderen Arbeitgeber suchen.“ So ein Satz hat mit konstruktiver Kritik am Vorgesetzten wenig zu tun. Den Chef zu erpressen, ist weder wertschätzend noch erfolgversprechend. Wenn du dich zu einer derartigen Äußerung hinreißen lässt, dürften das dein Ansehen im Unternehmen beschädige.
  4. Ausfallend werden: Beleidigungen und Herabwürdigungen wie „Arschloch“ oder „Idiot“ sind ein sicherer Weg in die Kündigung. Wenigstens eine Abmahnung wird nach einer solchen Äußerung nicht lange auf sich warten lassen. Abhängig von den individuellen Umständen und der Schärfe deiner Entgleisung kann auch eine fristlose Kündigung die Folge sein.

Bildnachweis: Perfect Wave / Shutterstock.com


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