Kündigung wegen psychischer Erkrankung: Geht das?
Dürfen Chefs eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung aussprechen? Einige Arbeitnehmer gehen fälschlicherweise davon aus, dass kranke Mitarbeiter – unabhängig davon, ob sie physisch oder psychisch erkrankt sind – nicht gekündigt werden dürfen. Das stimmt aber nicht. Denn unter bestimmten Voraussetzungen können auch Mitarbeiter mit einer psychischen Erkrankung eine Kündigung erhalten.
Kündigung wegen psychischer Erkrankung: Ist das erlaubt?
Noch immer ist der Irrglaube verbreitet, Arbeitnehmer könnten während einer Erkrankung nicht gekündigt werden. So simpel ist es aber nicht. Richtig ist, dass der Arbeitgeber bei einer Kündigung wegen Krankheit strikte Regeln einhalten muss. Beachtet er diese Gesetze, ist eine Kündigung wegen psychischer Erkrankung möglich.
Achtung: Dieser Artikel stellt keine Rechtsberatung dar. Wir geben lediglich allgemeine Zusammenhänge wieder, die dem Leser einen überblicksartigen Einstieg ins Thema gewähren. Verbindliche Auskunft gibt ein Fachanwalt.
Kündigung wegen psychischer Erkrankung: Sonderform der personenbedingten Kündigung
Im Arbeitsrecht unterscheidet man drei verschiedene ordentliche Kündigungsgründe:
- Die betriebsbedingte Kündigung: Dem Beschäftigten wird gekündigt, weil der Arbeitgeber dies aus wirtschaftlichen Gründen für nötig hält. Auch eine Verlagerung von Betriebsteilen ins Ausland oder eine Betriebsänderung können Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung sein. Für Beschäftigte ist diese Form der Kündigung vergleichsweise „günstig“. Denn sie haben die Kündigung in keiner Form verursacht. Das ist ein gutes Argument bei der Jobsuche.
- Die verhaltensbedingte Kündigung: Schwieriger für Bewerber ist dagegen die verhaltensbedingte Kündigung. Denn bei dieser Kündigung beendet der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, weil er mit einem anhaltenden Fehlverhalten des Beschäftigten nicht länger einverstanden ist. Arbeitnehmer, die ständig unpünktlich sind, unerlaubt Fehlen oder gar die Arbeit verweigern, können eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten.
- Die personenbedingte Kündigung: Arbeitnehmer, die im Job längere Zeit wegen einer Erkrankung ausfallen und/oder nicht mehr mit voller Leistung arbeiten, müssen unter bestimmten Voraussetzungen mit einer personenbedingten Kündigung rechnen. Aber nicht nur psychische oder physische Erkrankungen können eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen. Auch eine fehlende Arbeitserlaubnis kann ein Grund sein.
Neben diesen drei ordentlichen Kündigungsgründen gibt es die außerordentliche Kündigung, die häufig fristlos ausgesprochen wird. Bei einer außerordentlichen Kündigung muss sich der Arbeitnehmer eines krassen Verstoßes schuldig gemacht haben. In Frage kommen zum Beispiel:
- Diebstahl
- Arbeitszeitbetrug
- Sexuelle Belästigung
- Unerlaubte Tätigkeit für direkten Konkurrenten des Arbeitgebers
Kündigung wegen psychischer Erkrankung: Voraussetzungen
Der allgemeine Kündigungsschutz sorgt dafür, das bei personenbedingten Kündigungen, auch bei Kündigung wegen psychischer Erkrankung, klare Regeln eingehalten werden müssen. Unter anderem diese Kriterien müssen erfüllt sein, damit der Arbeitgeber seinem erkrankten Mitarbeiter kündigen kann:
- Mitarbeiter ist immer wieder oder sehr lange erkrankt: Laut verschiedenen Urteilen des Bundesarbeitsgerichts ist ein Mitarbeiter, der länger als 18 Monate krank ist, als langzeiterkrankt zu betrachten. Aus Sicht des Arbeitgebers stehen die Chancen gut, dass die personenbedingte Kündigung eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers rechtmäßig ist. Auch bei Mitarbeitern, die über einen gewissen Zeitraum immer wieder krankheitsbedingt ausfallen, ist eine der Voraussetzungen für eine Kündigung wegen einer psychischen Erkrankung erfüllt.
- Arzt stellt negative Prognose: Wenn die Aussicht auf Besserung fehlt oder von einem Arzt nur als sehr gering eingeschätzt wird, liegt ein weiteres wichtiges Kriterium für eine personenbedingte Kündigung vor. Denn in diesem Fall wird der Mitarbeiter aufgrund der Erkrankung vermutlich auch in Zukunft nicht im vertraglich vereinbarten Umfang arbeiten können.
- Der Arbeitsausfall muss erheblich sein: Die Zeit, die der Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung nicht arbeiten können wird, muss außerdem erheblich sein. Das bedeutet, dass dem Arbeitgeber deutliche wirtschaftliche Belastungen drohen, wenn er den erkrankten Mitarbeiter weiterhin beschäftigt. Wann diese Grenze erreicht ist, hängt vom Einzelfall ab. Ein großer Konzern hat meist mehr Möglichkeiten, den Ausfall kranker Mitarbeiter aufzufangen als ein kleiner inhabergeführter Betrieb mit wenigen Beschäftigten.
- Interessenabwägung wird zugunsten des Arbeitgebers entschieden: Bei einer personenbedingten Kündigung muss vorab eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers stattfinden. Ergibt diese Abwägung, dass es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, einen psychisch erkrankten Mitarbeiter weiterhin zu beschäftigen, ist eine Kündigung zumindest denkbar.
- Der Arbeitgeber hat einen leidensgerechten Arbeitsplatz geschaffen: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auch erkrankten Mitarbeitern die Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Er muss daher prüfen, ob er seinem Mitarbeiter einen anderen Arbeitsplatz oder andere Tätigkeiten zuweisen kann. Bei einem Mitarbeiter, der unter einer psychischen Erkrankung leidet, könnten unter Umständen mehr Ruhezeiten zwischen den Arbeitseinsätzen helfen. Bei der Einrichtung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes ist es auch denkbar, dass der Mitarbeiter nicht mehr in Wechselschicht arbeiten muss. So kann sich sein Körper besser auf die Belastungen einstellen.
Selber kündigen wegen psychischer Krankheit: Ist das empfehlenswert?
Manche Arbeitnehmer erkennen selbst, dass sie ihrem Job aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr wie gewohnt nachgehen können. Sie stellen sich manchmal die Frage, ob sie selbst kündigen sollten.
Grundsätzlich haben jederzeit Arbeitnehmer die Möglichkeit, ihren Arbeitsvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist ordentlich zu kündigen. Das gilt natürlich auch dann, wenn eine psychische Erkrankung vorliegt.
Experten weisen jedoch darauf hin, dass es bei einer Eigenkündigung zur Sperre beim Arbeitslosengeld kommen könnte. Bei einer Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer zahlt das Arbeitsamt in den ersten 12 Wochen der Arbeitslosigkeit im Regelfall kein Arbeitslosengeld aus.
Statt Eigenkündigung wegen psychischer Erkrankung: Aufhebungsvertrag
Eine Möglichkeit, den Arbeitsvertrag ohne Kündigung zu beenden, ist ein sogenannter Aufhebungsvertrag. Mitarbeiter, die sich mit dieser Option beschäftigen, sollten sich vorab von einem Anwalt oder einem anderen Experten beraten lassen. Ein Aufhebungsvertrag kann Vorteile haben, es drohen jedoch auch Nachteile.
So steht beispielweise nicht automatisch fest, dass das Arbeitsamt bei einem Aufhebungsvertrag keine Sperre beim Arbeitslosengeld verhängt. Der Sachbearbeiter bei der Bundesagentur für Arbeit könnte argumentieren, dass der Mitarbeiter mit seiner Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag das Ende des Arbeitsverhältnisses selbst herbeigeführt hat. Und das könnte ein Grund für eine Sperre sein.
Allerdings können Mitarbeiter im Rahmen des Aufhebungsvertrags auch vorteilhafte Dinge aushandeln, etwa eine Abfindung. Die kann helfen, mögliche Sperrfristen beim Arbeitslosengeld finanziell zu überbrücken.
Personenbedingte Kündigung erhalten: Was tun?
Erhalten Arbeitnehmer eine Kündigung, könne sie gegen diese Kündigung vorgehen. Es macht keinen Unterschied, ob die Kündigung betriebsbedingt, personenbedingt oder verhaltensbedingt erfolgt.
In der Regel schaltet der gekündigte Arbeitnehmer dazu einen Rechtsanwalt ein und lässt diesen am Arbeitsgericht eine Kündigungsschutzklage einreichen. Achtung: Diese Klage muss relativ zügig eingereicht werden. Wird sie nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht erhoben, ist die Kündigung rechtlich automatisch wirksam. Sie kann dann nicht mehr angefochten werden – selbst wenn sie rechtlich eigentlich unwirksam war.
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