Minusstunden: Das sollten Arbeitnehmer darüber wissen
Für viele Arbeitnehmer sind Überstunden an der Tagesordnung. Es kommt jedoch auch vor, dass Beschäftigte nicht mehr, sondern weniger arbeiten als vertraglich vereinbart. Dann ist von Minusstunden die Rede. Sie sind besonders im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitmodellen bedeutsam. Hier erfährst du, was Minusstunden ausmacht, ob du dafür später länger arbeiten musst und ob es zulässig ist, wenn dir dein Arbeitgeber wegen Minusstunden das Gehalt kürzt.
Was sind Minusstunden – und was nicht?
Immer mehr Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeitmodelle an. Um schwankende Stunden auszugleichen, wird häufig ein Arbeitszeitkonto eingesetzt. Dort werden Überstunden („Plusstunden“) und Minusstunden verzeichnet. Minusstunden entstehen, wenn ein Beschäftigter weniger Stunden als vertraglich vereinbart arbeitet. Sie stellen damit eine noch zu leistende Arbeitszeit und das Gegenteil von Überstunden dar.
Über das Arbeitszeitkonto müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigt haben. Eine reine betriebliche Praxis reicht nicht aus, damit ein Arbeitszeitkonto gilt, genauso wenig ein stillschweigendes Einverständnis des Mitarbeiters. Aus der Vereinbarung muss klar hervorgehen, ob ein Kurzzeitkonto oder ein Langzeitkonto geführt wird. Kurzzeitkonten sind im Normalfall auf höchstens ein Jahr begrenzt. Langzeitkonten können hingegen genutzt werden, um langfristig Plusstunden aufzubauen – etwa, um zu einem späteren Zeitpunkt einen längeren Überstundenausgleich zu nehmen oder um früher in den Ruhestand zu gehen.
Aus der Vereinbarung über das Arbeitszeitkonto muss hervorgehen, inwieweit von der vertraglichen Arbeitszeit nach oben oder unten abgewichen werden darf. Es sollte auch geklärt sein, wie und in welchem Zeitraum Überstunden oder Minusstunden wieder ausgeglichen werden können.
Wann können Minusstunden entstehen?
Minusstunden können entstehen, wenn ein Mitarbeiter morgens später kommt, abends früher Feierabend macht oder mittags länger fehlt, weil er einen Termin hat. Sie sind immer durch den Arbeitnehmer selbst verschuldet. Um Minusstunden im eigentlichen Sinn kann es sich nicht handeln, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeiter vorzeitig nach Hause schickt, weil es zu wenig zu tun gibt.
Der Arbeitgeber trägt das rechtliche und wirtschaftliche Risiko dafür, den Arbeitnehmer nicht einsetzen zu können. Sofern der Arbeitnehmer zur Arbeit bereit ist, ist der Arbeitgeber in Annahmeverzug. Er muss den Lohn in solchen Fällen weiterhin zahlen, und zwar auch ohne Gegenleistung. Schließlich war er schuld daran, dass es nicht genügend Arbeit für den Mitarbeiter gab. Das darf nicht zum Nachteil für den Arbeitnehmer werden.
Es ist nicht erlaubt, krankheitsbedingte Ausfälle als Minusstunden zu werten. Eine Erkrankung darf kein Nachteil für Beschäftigte sein. Sie haben bei unverschuldeter Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. In der Regel dürfen auch Feiertage nicht als Minusstunden verbucht werden. Bei Fortbildungen kommt es auf die Umstände an. Hat der Arbeitgeber die Weiterbildung angeordnet, können daraus keine Minusstunden entstehen. Auch, wenn du dafür Bildungsurlaub genehmigt bekommen hast, haben Weiterbildungen keinen Einfluss auf den Saldo deines Arbeitszeitkontos. Machst du die Fortbildung hingegen freiwillig während deiner Arbeitszeit, ist es zulässig, wenn der Arbeitgeber dies als Minusstunden wertet.
Wie werden Minusstunden wieder abgebaut?
Immer wieder kommt die Frage auf, wie Minusstunden abgebaut werden können. Dabei kommt es darauf an, wodurch es zur verkürzten Arbeitszeit kam. Gab es schlicht nicht genügend Aufgaben, bist du nicht dazu verpflichtet, eine zu geringe Arbeitszeit später nachzuarbeiten.
Der Abbau von Minusstunden ist nur zulässig, wenn es ein Arbeitszeitkonto gibt, auf das sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer geeinigt haben. Daraus geht hervor, in welchem Zeitraum du etwaige Minusstunden wieder ausgleichen musst. Ein Ausgleich ist möglich, indem du zu anderen Zeiten länger bleibst oder früher kommst. Möglicherweise kannst du in Absprache mit dem Arbeitgeber auch mal an einem Wochenendtag zur Arbeit kommen.
Immer wieder kommen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer auf die Idee, im Rahmen eines Arbeitszeitkontos Minusstunden mit Urlaubsansprüchen zu verrechnen. Das ist jedoch rechtlich nicht haltbar. Urlaub setzt das vorherige Einverständnis des Arbeitgebers voraus und kann somit nur für die Zukunft vereinbart werden. Rückwirkend Urlaub zu gewähren ist nicht möglich. Der Arbeitgeber darf künftigen Urlaub auch nicht einfach streichen, um Minusstunden auszugleichen. Jeder Arbeitnehmer hat einen gesetzlichen Anspruch auf Erholungsurlaub. Dieser Anspruch darf nicht durch den Abbau von Minusstunden ausgehöhlt werden.
Arbeitszeitkonto: Wie viele Minusstunden sind zulässig?
Es kommt vor, dass sich auf einem Arbeitszeitkonto eine größere Zahl an Minusstunden ansammelt. Spätestens dann stellt sich die Frage: Wie viele Minusstunden sind eigentlich erlaubt? Darauf gibt es allerdings keine pauschale Antwort. Es hängt von der jeweiligen Vereinbarung über das Arbeitszeitkonto oder die Bestimmungen im Tarifvertrag darüber ab. Es ist zudem denkbar, die Zahl der zulässigen Minusstunden vorübergehend zu erhöhen.
Gibt es gar keine Regelung, gibt es formal auch kein Arbeitszeitkonto. Dann dürfen die Minusstunden laut Arbeitsrecht in der Regel auch nicht abgerechnet werden. Ein Anspruch auf Ausgleich besteht ohne gültige Regelung nicht. Allerdings drohen dir andere arbeitsrechtliche Folgen, wenn du deine vertragliche Arbeitszeit unterschreitest und es kein Arbeitszeitkonto gibt. Der Arbeitgeber kann dich dafür abmahnen oder dir unter Umständen sogar kündigen.
Minusstunden: Darf der Arbeitgeber das Gehalt kürzen?
Drohen Gehaltskürzungen, wenn sich zu viele Minusstunden angesammelt haben? Auch hier kommt es darauf an, ob es eine gültige Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto gibt und was genau diese besagt. Sind die Minusstunden vom Arbeitgeber angeordnet, haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Lohnfortzahlung. So ist es in § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt. Diese Abweichungen von der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit sind rechtlich keine Minusstunden.
Anders verhält es sich, wenn es ein wirksames Arbeitszeitkonto mit entsprechenden Regelungen gibt. Wenn sich darauf mehr Minusstunden als erlaubt angesammelt haben oder wenn die Minusstunden nicht rechtzeitig im vorgesehenen Ausgleichszeitraum ausgeglichen wurden, drohen durchaus Gehaltskürzungen. Bei einem solchen Negativsaldo der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber das Recht, dieses zu seinen Gunsten auszugleichen. Deshalb kann es im Einzelfall zulässig sein, wenn dir weniger Gehalt gezahlt wird.
Gibt es gar kein Arbeitszeitkonto, verstößt du mit zu wenig Arbeitszeit gegen deine vertraglichen Pflichten. Das kann zu einer Abmahnung, Lohnkürzungen und zu einer Kündigung führen.
Was passiert mit Minusstunden bei einer Kündigung?
Was geschieht mit Minusstunden bei einer Kündigung? Auch diese Frage stellt sich vielen betroffenen Arbeitnehmern. Es kommt immer wieder vor, dass Minusstunden noch nicht abgebaut sind, wenn ein Mitarbeiter das Unternehmen verlässt.
Oft verrechnen Arbeitgeber die Minusstunden bei einer Kündigung mit dem Gehalt. Das ist häufig erlaubt, es kommt jedoch wiederrum darauf an, ob es überhaupt eine gültige Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto gab. Auch, warum die Minusstunden entstanden sind, spielt eine entscheidende Rolle. Wurden sie vom Arbeitgeber angeordnet, sind Lohnkürzungen unzulässig. Ein Lohnabzug ist nur möglich, wenn du die Minusstunden selbst verursacht hast.
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