Selbstbeherrschung: die Kunst der Selbstkontrolle
Selbstbeherrschung ist überall gefragt. Wer sich zusammenreißen kann, macht häufig einen besseren Eindruck. Es scheint sogar einen Zusammenhang zwischen Selbstbeherrschung und beruflichem und privatem Glück zu geben.
Definition: Was bedeutet Selbstbeherrschung?
Nur noch dieses eine Kapital durcharbeiten, um sich auf die Klausur vorzubereiten: Je später es wird, umso schwieriger wird es, diesen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen. Denn vermutlich macht sich der innere Schweinehund bemerkbar, der dich davon abbringen will, diszipliniert bis zum Ende des Kapitels zu lernen. Die Aussicht auf einen entspannten Abend auf der Couch ist ja sicherlich auch nicht schlecht.
Wenn es dir jedoch gelingt, dieser Versuchung zu widerstehen und dich trotz allen Verlockungen darauf zu konzentrieren, den Stoff für die Klausur bestmöglich vorzubereiten, besitzt du offensichtlich einiges an Selbstbeherrschung.
Selbstbeherrschung, auch Selbstdisziplin oder Selbstkontrolle genannt, zeigst du auch dann, wenn du es schaffst, auf das leckere Eis zu verzichten, weil du nach dem langen Winter wieder in deine Sommerjeans passen möchtest. Oder wenn du für die anstehende Präsentation Überstunden machst, obwohl du sie auch im Status-quo halten könntest. Dann wäre sie aber eben nicht so gut.
Warum ist Selbstbeherrschung so wichtig?
Aus den genannten Beispielen sollte schnell klar werden, warum Selbstbeherrschung und Disziplin so wichtig ist: Wenn du beruflich und privat erfolgreich sein möchtest, musst du dich durchbeißen.
Lautet dein Ziel beispielsweise, dass du in einigen Monaten einen Halbmarathon laufen möchtest, wird dir das nicht gelingen, wenn du ständig das Training ausfallen lässt. Auch die Beförderung wird wahrscheinlicher, wenn du aktiv nach neuen Herausforderungen suchst, anstatt dich mit deinen Routineaufgaben zufriedenzugeben.
Aber noch aus einem anderen Grund ist Selbstbeherrschung wichtig: Im Job (und auch im Privatleben) werden dir immer wieder Menschen begegnen, die deine Nerven ganz schön auf die Probe stellen. Wenn du in diesem Fall deinem ersten Impuls nachgibst und diese Person rügst oder allzu kleinlich kritisierst, könnte das zu Konflikten im Team führen.
Besitzt du keine Selbstbeherrschung, könnte es dir sogar passieren, dass du deinen Vorgesetzten attackierst, wenn du dich über sein Verhalten geärgert hast – und das wird zu einem echten Problem im Job.
Personen, die über Selbstbeherrschung verfügen, sind dagegen in der Lage, ihre Impulse, Wünsche und Emotionen zu kontrollieren und sie in Bahnen zu lenken, die vorteilhaft für sie sind.
Selbstbeherrschung ist wichtiger als Intelligenz
Studien beschäftigen sich immer wieder mit dem Thema Selbstbeherrschung und Disziplin und dabei zeigt sich, dass die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung ebenso wichtig oder gar wichtiger ist als Intelligenz.
Menschen, die ein Ziel mit genügend Ausdauer und Disziplin verfolgen, sind in der Regel erfolgreicher als solche, die zwar intelligent sind, aber nicht über die nötige Selbstkontrolle verfügen.
Eines der bekannteren Beispiele zu der Frage, ob Intelligenz oder Disziplin wichtiger ist, um erfolgreich zu sein, ist der sogenannte Marshmallow-Test.
Marshmallow-Test: die Bedeutung der Selbstbeherrschung
In den 1960er Jahren führten Forscher um den US-amerikanischen Psychologen Walter Mischel ein berühmt gewordenes Experiment durch: den sogenannten Marshmallow-Test.
Die Süßigkeit, die dem Experiment seinen Namen gibt, spielt dabei eine zentrale Rolle: Die Forscher setzten Kinder im Vorschulalter in einen Raum mit einem Tisch und einem Stuhl. Vor den Kindern platzierten sie ein Marshmallow. Der Versuchsleiter sagte dem Kind, dass es das Marshmallow sofort essen dürfe, wenn es wolle. Wenn das Kind jedoch warte, bekäme es ein weiteres Marshmallow, wenn er den Raum wieder betrete.
Daraufhin verließ er den Raum und wartete eine gewisse Zeitspanne. Die meisten Kinder konnten sich nicht lange beherrschen und aßen das Marshmallow sofort – einige schafften es, der Versuchung noch einige Minuten zu widerstehen.
Aber einige weniger Kinder harrten tatsächlich aus, bis der Versuchsleiter wieder den Raum betrat und bekamen daraufhin ein weiteres Marshmallow. Je älter die Kinder waren, umso leichter fiel es ihnen, auf den Versuchsleiter zu warten und als Belohnung ein zweites Marshmallow zu bekommen.
Jedoch spielte nicht nur das Alter der Kinder eine Rolle dabei, wie gut sie ihren Impuls, die Süßigkeit sofort zu essen, kontrollieren konnten. Entscheidend dabei war ihre Fähigkeit zur Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin.
Das zeigte sich auch einige Jahre später, als die Forscher die teilnehmenden Kinder noch einmal aufsuchten. Im frühen Erwachsenenalter waren diejenigen Kinder beruflich erfolgreicher, die sich beim Test disziplinieren konnten. Das könnte man nun damit erklären, dass sie diese Disziplin vermutlich auch während ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung an den Tag legten. Jedoch hatten diese jungen Erwachsenen nicht nur mehr beruflichen Erfolg, sie hatten auch mehr Glück auf der privaten Ebene. Die Forscher konnten zeigen, dass die Personen, die als Kinder viel Selbstbeherrschung bewiesen, später glücklichere Beziehungen führten, sozial kompetenter waren und sogar weniger Probleme mit Alkohol und Drogen hatten als die weniger disziplinierten Kinder aus der Gruppe.
Selbstbeherrschung lernen und trainieren: Tipps zur Umsetzung
Selbstbeherrschung, Selbstkontrolle und Disziplin scheinen also einen großen Einfluss auf unser Leben und Glück zu haben. Also kann es nicht schaden, sich ein wenig mehr Selbstbeherrschung anzutrainieren. Wie das gelingen kann? Zum Beispiel mit diesen Tipps:
- Ruhe gönnen: Selbstbeherrschung ist wie ein Muskel. Wenn wir sie zu sehr beanspruchen, wird sie kraftlos. Studien zeigen das immer wieder. Ein Beispiel: Wenn es dir gelungen ist, die blöde Bemerkung deines Kollegen zu ignorieren, wird dir das beim nächsten Mal deutlich schwerer fallen. Auch wenn wir es schaffen, uns zunächst noch in Selbstbeherrschung zu üben, muss das beim nächsten Mal nicht auch so sein. Irgendwann kommt eben der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Du brauchst daher Zeit, deine Reserven wieder aufzutanken und deinen Nerven Erholung zu gönnen. Verschaffe dir daher regelmäßig diese Freiräume. Nur so kannst du diszipliniert in schwierige Situationen gehen.
- Kurz innehalten: Wenn deine Selbstbeherrschung bereits strapaziert wurde, solltest du kurz innehalten, bevor du reagierst. Antwortest du zum Beispiel zu schnell auf die wieder einmal überhebliche E-Mail könnte es passieren, dass du überreagierst und vielleicht deine Wortwahl nicht mehr ganz unter Kontrolle hast. Das vermeidest du, indem du zunächst ein paar Minuten abwartest, bevor du antwortest. Markiere die E-Mail als ungelesen und reagiere erst nach der Mittagspause oder mit dem nötigen zeitlichen Abstand darauf.
- Gründe ausfindig machen: Wenn du dich mehr mit dem Thema Selbstbeherrschung und Disziplin befasst, wird dir vielleicht auch auffallen, dass du auf einige Dinge (oder Kollegen) schroffer reagierst als auf andere. Versuche, die Gründe dafür zu finden, warum dich einige Verhaltensweisen derart nerven und warum du bei anderen ganz leicht darüber hinwegsehen kannst. Wenn du mehr darüber erfährst, was deine Selbstbeherrschung besonders auf die Probe stellt, kannst du diese Erkenntnis nutzen, um gelassener zu werden.
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