Überstunden – Was ist zulässig?
Dass ab und zu Überstunden nötig sind, stört viele Arbeitnehmer nicht. Problematisch wird es allerdings, wenn die Überstunden an der Tagesordnung sind und damit zur Selbstverständlichkeit werden. Doch wie viele Überstunden sind eigentlich zulässig? Wann müssen sie bezahlt und abgebaut werden? Darf man Überstunden verweigern? Hier erfährst du, was du über Überstunden wissen solltest.
Überstunden: für manche die Ausnahme, für andere Normalität
Wohl jeder Arbeitnehmer macht von Zeit zu Zeit Überstunden. Während sie bei manchen Arbeitnehmern nur in Ausnahmefällen anfallen, sind sie für andere jedoch typisch. Im Schnitt haben Arbeitnehmer in Deutschland im Jahr 2018 nach Zahlen des Statistischen Bundesamts fast 50 Überstunden geleistet. Knapp die Hälfte hiervor – 24,1 Stunden – waren unbezahlt.
Die meisten Überstunden machen Mitarbeiter in der Unternehmensberatung – im Schnitt etwas mehr als fünf Stunden pro Woche. Das geht aus einer Erhebung des Arbeitszeitmonitors der Vergütungsplattform Compensation Partner aus dem Jahr 2019 hervor. Besonders häufig sind Überstunden außerdem in den Bereichen Konsum- und Gebrauchsgüter, Logistik, Transport, Verkehr, Hotel und Gaststätten sowie auf dem Bau. Die Zahl der durchschnittlichen Überstunden in diesen Branchen lag im Befragungszeitraum zwischen vier und viereinhalb Stunden pro Woche. Von einem Ausgleich der Überstunden konnten viele Betroffenen nur träumen: Bei den Beschäftigten in der Unternehmensberatung wurden etwa 75 Prozent der Überstunden nicht ausgeglichen.
Häufige Überstunden als Risiko für die Gesundheit
Die Gründe für häufige Überstunden können vielfältig sein. Oft sind sie nötig, um das Arbeitspensum überhaupt schaffen zu können. Überstunden können auch die Folge von betrieblichen Notfällen sein. Mitunter bleiben Beschäftigte länger, weil sie besonders gute Arbeit leisten möchten. Manche Mitarbeiter bleiben tageweise länger oder kommen früher, weil sie ein bestimmtes Projekt fertigstellen müssen, für andere sind die Überstunden längst zur Normalität geworden – und die Bereitschaft dazu etwas, das von vielen Arbeitgebern implizit erwartet wird. Das gilt vor allem dort, wo Arbeitnehmer in umkämpften Bereichen Karriere machen möchten.
Häufige Überstunden können die Work-Life-Balance empfindlich stören. Wer von Meeting zu Meeting hetzt, nicht ausreichend zu seiner eigentlichen Arbeit kommt und deshalb immer wieder länger bleiben muss, der kommt oft auch gestresst im Feierabend an. Wenn dann noch familiäre Verpflichtungen bestehen oder der Haushalt geschmissen werden muss, ist die Überlastung auf Dauer oft vorprogrammiert. Das gilt besonders, wenn abends vom Sofa aus noch Mails gecheckt – und beantwortet – werden.
Ein Burnout, Depressionen oder schlicht das Gefühl, nie genug Zeit zu haben und nie zur Ruhe kommen zu können, können die Folgen sein. Die psychische Belastung von zu viel Arbeit und zu wenig Entspannung hat oft auch körperliche Konsequenzen. Sie kann sich etwa in Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, häufigen Infektionen oder Diabetes äußern.
Wann sind Überstunden zulässig?
Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Viele Arbeitnehmer nehmen Überstunden hin – weil sie Karriere machen oder schlicht ihren Job nicht verlieren möchten. Dabei gerät oft die Frage in den Hintergrund, wann Überstunden eigentlich zulässig sind. Das hängt insbesondere von den Regelungen im Arbeitsvertrag ab. Steht dort, dass du zur Leistung von Überstunden verpflichtet bist, musst du dich daran halten. Allerdings ist längst nicht jede Klausel zulässig. Nicht haltbar wäre eine Vorgabe etwa, wenn unklar bleibt, unter welchen Umständen und wie viele Überstunden denkbar sind. Steht im Arbeitsvertrag nichts zu Überstunden, bist du im Normalfall auch nicht verpflichtet, Überstunden zu leisten.
Auch durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen kann sich die Pflicht zu Überstunden jedoch ergeben. Zudem gilt bei Überstunden nach dem Gesetz, dass Arbeitnehmer in Notfällen dazu verpflichtet sind. Das ergibt sich aus ihrer Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber.
Wann darf der Arbeitgeber Überstunden anordnen?
Geht es darum, in dringenden Fällen gravierende Schäden vom Betrieb abzuwenden, kann der Arbeitgeber auch ohne individuelle Vereinbarung Überstunden anordnen. Dabei muss es sich jedoch um schwerwiegende Fälle handeln, die in der Praxis selten sind – etwa ein Feuer, eine Überschwemmung, ein Wasserrohrbruch oder eine andere Katastrophe, die die Existenz des Betriebs bedroht.
Sind hingegen lediglich einige Kollegen erkrankt oder ist ein unerwarteter Auftrag hereingekommen, handelt es sich in der Regel nicht um einen Notfall, der mit der Pflicht zu Überstunden einhergeht – es sei denn, diese Pflicht ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Falls Überstunden generell zulässig sind, können sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer mündlich darüber verständigen, wann sie nötig sind. Auch eine stillschweigende Übereinkunft ist denkbar.
Wie viele Überstunden sind erlaubt?
Für viele Arbeitnehmer sind Überstunden ein Fass ohne Boden. Rechtlich sind der Anzahl der Überstunden allerdings Grenzen gesetzt. Grundsätzlich müssen sich Arbeitgeber an die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes halten. Laut dem Arbeitszeitgesetz liegt die reguläre maximale Arbeitszeit pro Tag bei acht Stunden. Weil Arbeitnehmer theoretisch von montags bis samstags je acht Stunden arbeiten dürfen, liegt die wöchentliche Höchstarbeitszeit bei 48 Stunden.
In Ausnahmefällen darf die tägliche Arbeitszeit bis zu zehn Stunden betragen. Eine längere tägliche Arbeitszeit als eigentlich erlaubt muss jedoch innerhalb von sechs Monaten ausgeglichen werden. Mit dieser Regelung sind theoretisch 60 Stunden Arbeit pro Woche erlaubt, allerdings nur, wenn diese auf sechs Arbeitstage aufgeteilt werden. Zudem muss zwischen zwei Arbeitstagen im Regelfall eine gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden liegen, die der Erholung dient. Für manche Bereiche gelten davon abweichende Regelungen, etwa in Restaurants und Krankenhäusern.
Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes gelten nicht für leitende Angestellte. Hierunter fallen Arbeitnehmer, die eine besondere Nähe zu Arbeitgebern haben und bestimmte, für Unternehmer typische Funktionen wahrnehmen. Das tun sie mit einem erheblichen Entscheidungsspielraum und in eigener Verantwortung. Sie können außerdem Mitarbeiter einstellen und entlassen, haben Generalvollmachten oder Prokura.
Sind Überstunden bei Teilzeit erlaubt?
Wer eine Teilzeitstelle hat, hat sich oft ganz bewusst dazu entschieden, weniger Stunden zu arbeiten – etwa, um mehr Zeit für die Familie oder sich selbst zu haben. Trotzdem sind Überstunden unter den genannten Voraussetzungen erlaubt. Wenn also im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, dass Überstunden zu leisten sind, gilt das prinzipiell auch für Teilzeitkräfte. Gibt es keine solche Regelung, müssen Teilzeitkräfte zumindest bei Notfällen einspringen.
Wenn ein in Teilzeit Beschäftigter regelmäßig länger bleibt, kann dies zu einer stillschweigenden Änderung des Arbeitsvertrags führen. Hält der Zustand häufiger Überstunden über längere Zeit an, kann sich die Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle umwandeln. Der neue Status führt dann zwar dazu, dass die bisherigen Überstunden als Teil der regulären Arbeitszeit in Vollzeit in jedem Fall bezahlt werden müssen. Allerdings ist längst nicht jeder Betroffene glücklich darüber, nun doch einen Vollzeitjob zu haben.
Überstunden abbauen oder Überstunden auszahlen lassen – wann ist das möglich?
In vielen Arbeitsverträgen findet sich eine Klausel, nach der Überstunden durch das reguläre Gehalt abgegolten sein sollen. Ist der mögliche Umfang der Überstunden nicht näher bestimmt, ist eine solche Regelung in der Regel unzulässig. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine solche Bestimmung gegen das Transparenzgebot nach § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verstößt. Der Arbeitnehmer muss wissen, welche Arbeitszeit – inklusive Überstunden – auf ihn zukommen kann, wenn er ein Beschäftigungsverhältnis eingeht (Az. 5 AZR 406/10).
Damit unentgeltliche Überstunden rechtlich haltbar sind, braucht es eine möglichst konkrete Regelung im Arbeitsvertrag oder einer kollektivvertraglichen Vereinbarung. Der Arbeitgeber kann etwa erklären, dass ein bestimmter Anteil der üblichen Wochenarbeitszeit oder ein bestimmter Umfang an Überstunden pauschal durch das Gehalt abgegolten ist.
Ein Recht auf bezahlte Überstunden gibt es meist nicht
Überstunden, die die gesetzliche Höchstarbeitszeit überschreiten, müssen ausgeglichen werden. Grundsätzlich kann sich der Arbeitgeber entscheiden, ob er bei Überstunden einen Freizeitausgleich gewähren möchte oder ob sich die Beschäftigten ihre Überstunden auszahlen lassen können. Ein Recht auf Vergütung von Überstunden gibt es häufig nicht, es sei denn, die Vergütung war zu erwarten. In § 612 Absatz 1 BGB heißt es: „Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Außerdem muss der Vorgesetzte die Überstunden entweder angeordnet oder sie billigend zur Kenntnis genommen haben – etwa durch die Abzeichnung eines Stundenzettels.
Auch das reguläre Gehalt spielt in der Rechtsprechung eine Rolle und wirkt sich darauf aus, wer eine Vergütung für Überstunden erwarten kann. Wer ohnehin ein niedriges Gehalt hat, von dem kann ein Arbeitgeber tendenziell nicht verlangen, dass er Überstunden ohne zusätzliche Vergütung leistet. So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass ein Spediteur mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.800 Euro für die in zwei Jahren beinahe Tausend geleisteten Überstunden eine Vergütung verlangen konnte (Az. 5 AZR 765/10). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Beschäftigte mit einem hohen Gehalt auch eher verpflichtet sein können, unentgeltlich mehr zu arbeiten.
Wann gibt es einen Überstundenzuschlag?
Mitunter kann ein Anspruch auf einen Überstundenzuschlag bestehen. Das kommt nur bei Mehrarbeit infrage. Mehrarbeit, auch wenn der Begriff häufig synonym verwendet wird, ist nicht gleichzusetzen mit Überstunden. Überstunden gehen lediglich über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus. Mehrarbeit ist nur gegeben, wenn die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit überschritten wird. Nicht nur in Gesetzen, auch in Tarifverträgen können sich entsprechende Höchstgrenzen finden.
Ob dir ein Überstundenzuschlag zusteht, hängt von den Regelungen deines Arbeitsvertrags ab. Auch in Tarifverträgen kann ein solcher Zuschlag vorgesehen sein. Das ist insbesondere im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) der Fall. Auch die Höhe des Überstundenzuschlags hängt von der jeweils geltenden Regelung ab. Meist macht er zwischen 15 und 40 Prozent des üblichen Stundenlohns aus.
Überstunden verweigern: Ist das möglich?
Darf man zu Überstunden auch Nein sagen? Es kommt darauf an, ob die Pflicht zu Überstunden durch den Arbeitsvertrag überhaupt gegeben ist. Andernfalls musst du nur länger bleiben, wenn es sich um einen Notfall handelt. Manche Personengruppen sind zudem besonders geschützt vor Überstunden. Dazu zählen insbesondere Frauen im Mutterschutz und Jugendliche. Sie dürfen nur in Ausnahmefällen Überstunden machen.
Arbeitgeber sind zudem grundsätzlich verpflichtet, auf die Interessen ihrer Mitarbeiter Rücksicht zu nehmen. Wenn ein Beschäftigter etwa sein Kind aus der Kita holen muss, muss der Arbeitgeber prüfen, ob er alternativ einen anderen Mitarbeiter zu Überstunden verpflichten kann. Mit einer guten Begründung ist es oft zulässig, Überstunden zu einem bestimmten Zeitpunkt zu verweigern – vor allem, wenn sie spontan geleistet werden sollen.
Vor Konsequenzen musst du dich nicht zwangsläufig fürchten, wenn du Überstunden verweigerst. Sofern du dabei im Recht bist, kann der Arbeitgeber dich dafür nicht bestrafen. Das geht aus dem sogenannten Maßregelungsverbot nach § 612a BGB hervor. Bist du hingegen zur Leistung von Überstunden im Einzelfall verpflichtet, drohen dir eine Abmahnung oder eine Kündigung. Schlimmstenfalls kannst du fristlos entlassen werden, wenn du Überstunden verweigerst.
Überstunden während Kurzarbeit: Das gilt
Mit Kurzarbeit kann ein Verlust von Arbeitsplätzen bei schlechter Auftragslage vermieden werden. Für die Beschäftigten gibt es zu wenig zu tun, um ihre vertragliche Arbeitszeit erfüllen zu können. Überstunden während Kurzarbeit widersprechen dieser Prämisse und sind deshalb grundsätzlich nicht erlaubt.
In Ausnahmefällen kann es gerechtfertigt sein, Überstunden anzuordnen, wenn einzelne, dringende Aufträge bearbeitet werden müssen. Das dient schließlich ebenfalls dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Allerdings muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass es ohne Überstunden nicht gegangen wäre. Regelmäßige Überstunden können dazu führen, dass der Anspruch auf Kurzarbeit und die damit verbundene staatliche Unterstützung erlischt.
Wer während Kurzarbeit Überstunden leisten muss, hat dafür meist einen Anspruch auf eine entsprechende Entlohnung. Das wiederum verringert den Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Mitunter ist es sinnvoller, sich mit dem Arbeitgeber auf einen Freizeitausgleich für die Überstunden zu einigen.
Überstunden: Verfallen sie irgendwann?
Können Überstunden verfallen? Das fragen sich vor allem Arbeitnehmer, die Überstunden vor sich herschieben, weil es nicht möglich ist, sie abzubauen. Auch die Frage, was mit Überstunden bei Kündigung passiert, kommt immer wieder auf.
Einen Hinweis darauf gibt die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist. Wenn sie abgelaufen ist, hast du keinen Anspruch mehr auf die Vergütung für Überstunden oder einen Freizeitausgleich. Die Ausschlussfrist muss mindestens drei Monate umfassen, damit sie rechtlich haltbar ist. Gibt es im Arbeitsvertrag keine Ausschlussfrist, beträgt die gesetzliche Verjährungsfrist für Überstunden drei Jahre. Außerdem können Überstunden verfallen, wenn der Arbeitnehmer in einem Zeitraum erkrankt, der als Freizeitausgleich für Überstunden vorgesehen war.
Überstunden müssen bei Kündigung ausgezahlt werden, wenn sie nicht mehr abgebaut werden können. Auch diese Ansprüche bestehen nur innerhalb der festgelegten Ausschlussfrist beziehungsweise der gesetzlichen Verjährungsfrist.
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