Überstundenausgleich: Das sollten Arbeitnehmer wissen
Wer länger arbeitet als im Arbeitsvertrag vereinbart, macht Überstunden. Und wer Überstunden macht, hat einen Anspruch auf Überstundenausgleich. Würde man jedenfalls erwarten. Ganz so einfach ist die Gleichung nämlich nicht, denn Arbeitgeber müssen nicht jede Überstunde bezahlen. Außerdem haben sie die Möglichkeit, Freizeit statt Bezahlung für die Überstunden anzubieten. Welche Regelungen gelten und was Arbeitnehmer beachten sollten, kannst du hier erfahren.
Überstundenausgleich: Was versteht man darunter?
Um zu verstehen, worum es sich beim Überstundenausgleich handelt, muss man zunächst wissen, was eine Überstunde rechtlich gesehen ist. Von Überstunden spricht man, wenn Arbeitnehmer mehr arbeiten, als im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag vereinbart wurde. Wer beispielsweise pro Tag 8 Stunden arbeiten soll, macht bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden und 30 Minuten bereits Überstunden.
Das gilt aber nur, wenn der Arbeits- oder Tarifvertrag in dieser Hinsicht keine zusätzlichen Regelungen enthält. Häufig finden sich dort nämlich Klauseln, die dem Arbeitgeber eine gewisse Anzahl unbezahlter Überstunden einräumen. Dann heißt es dort beispielsweise: „10 Überstunden pro Woche sind mit dem Gehalt abgegolten.“ Meist sind diese Klauseln auch bindend, was bedeutet, dass du als Vollzeitkraft mit einem derartigen Arbeitsvertrag erst ab der 51. Arbeitsstunde wöchentlich einen Anspruch auf Überstundenausgleich hättest.
Dabei solltest du jedoch wissen, dass Gerichte regelmäßig allzu pauschale Formulierungen kassieren, also für ungültig erklären. Steht in deinem Arbeitsvertrag zum Beispiel, dass alle Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind, ist das nur selten haltbar. Außerdem wird von Gerichten dein monatliches Einkommen betrachtet. Wenn du ohnehin nicht viel verdienst, kann dein Arbeitgeber nicht noch zusätzlich eine große Anzahl von Überstunden ohne Ausgleich von dir verlangen. Bist du dir unsicher, ob die Regelung in deinem Arbeitsvertrag rechtlich in Ordnung ist, solltest du mit einem Fachanwalt Rücksprache halten. Er kann dir sagen, was für dich in deiner konkreten Situation gilt.
Und noch eine weitere Voraussetzung gibt es für den Überstundenausgleich: Der Arbeitgeber muss die Überstunden angeordnet haben oder zumindest davon wissen. Es geht also nicht, dass du eigenmächtig beschließt, nach Feierabend doch noch ein wenig im Büro zu bleiben und Überstunden anzusammeln.
Überstundenausgleich: Auszahlen oder Freizeit?
Im Prinzip gibt es 2 Möglichkeiten, was du mit deinen angesammelten Überstunden anstellen kannst. Welche für dich in Frage kommt, hängt ebenfalls davon ab, was du mit deinem Arbeitgeber vereinbart hast.
Denn letztlich darf der Arbeitgeber entscheiden, ob du dir deine Überstunden auszahlen lassen kannst oder dafür einen Freizeitausgleich bekommst. Genau das sind die beiden verschiedenen Optionen beim Überstundenausgleich. Die Übersicht:
- Freizeitausgleich: Bei dieser Option kannst du deine Überstunden gegen Freizeit eintauschen. Gerade für Familien oder Arbeitnehmer, die neben ihrer Arbeit Angehörige pflegen müssen, ist das eine gute Sache. Bei diesem Modell kann man Überstunden ansammeln und dann einlösen, wenn sie am dringendsten gebraucht werden. Zum Beispiel dann, wenn das Kind in den Ferien betreut werden muss oder eine pflegebedürftige Person besondere Betreuung braucht. Ob Mitarbeiter die Überstunden allerdings nach eigenem Ermessen einlösen dürfen, hängt ebenfalls vom Vertrag ab. Einige Arbeitnehmer möchten gar nicht, dass sich zu viele Überstunden ansammeln, die später ausgeglichen werden müssen. Daher legen sie fest, dass ihre Beschäftigten beispielsweise einmal pro Monat ihr Überstundenkonto räumen und so die Überstunden durch Freizeit ausgleichen müssen. Mehrere freie Tage am Stück dank Überstundenausgleich sind dann nur selten möglich. Auch das hängt aber davon ab, was du mit deinem Chef vereinbarst.
- Bezahlung: Die 2. Möglichkeit des Überstundenausgleichs ist die Vergütung. Deine geleisteten Überstunden werden dir dabei einfach ausgezahlt. Auch hier hängt es von den individuellen Vereinbarungen ab, wie das praktisch abläuft. Einige Arbeitgeber zahlen nämlich einen Zuschlag für Überstunden, der dir dann ausgezahlt wird. Andere Chefs dagegen verzichten auf diesen Zuschlag und bezahlen Überstunden so wie reguläre Arbeitsstunden. Auch hier gilt: Schau im Arbeits- oder Tarifvertrag oder deiner Betriebsvereinbarung nach, was in deinem Fall gilt. Auch die Mitarbeiter in der Personalabteilung können dir sagen, wie die Sache mit dem Überstundenausgleich bei deinem Arbeitgeber gehandhabt wird.
Überstunden sparen statt auszahlen: Das Lebensarbeitszeitkonto
In einigen Betrieben ist es außerdem möglich, die geleisteten Überstunden in einem Lebensarbeitszeitkonto oder Zeitwertkonto anzusparen. Das hat einen klaren Vorteil: Denn während eines gesamten Berufslebens kommen einige Überstunden zusammen.
Wer diese grundsätzlich spart, statt sie auszahlen zu lassen oder davon Freizeit zu beanspruchen, hat im Alter etwas davon. Arbeitnehmer können ihre über Jahre geleisteten Überstunden in Betrieben mit Lebensarbeitszeitkonto nämlich auf einen Schlag in Anspruch nehmen – mit dem Ergebnis, dass sie gegebenenfalls früher in Rente gehen können als Beschäftigte, die ihre Überstunden nicht ansparen können.
Übrigens müssen Beschäftigte damit auch nicht bis zur Rente warten: Je nach Vereinbarung mit dem Arbeitgeber können sie die Überstunden auch schon vorher ausgleichen und zum Beispiel ein Sabbatical einlegen oder für einen bestimmten Zeitraum die Betreuung der Kinder übernehmen.
Überstundenausgleich nach Kündigung: Hier gelten andere Regeln
Die beiden oben genannten Optionen werden nach einer Kündigung allerdings eingeschränkt. Das Arbeitsrecht schreibt nämlich vor, dass Arbeitnehmer nach einer Kündigung nicht mehr durch Freizeit die Überstunden ausgleichen können.
Wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde, muss der Arbeitgeber stattdessen die Überstunden auszahlen – und das unabhängig davon, wer die Kündigung geschrieben hat.
Überstunden und Krankheit: Vorsicht beim Ausgleich
Arbeitnehmer machen häufig den Fehler, dass sie Überstunden und Urlaub gleichsetzen. Juristisch betrachtet ist das aber nicht so. Das sieht man unter anderem an dem Beispiel „Überstundenausgleich bei Krankheit“.
Ein Mitarbeiter, der Urlaub beantragt hat und im Urlaub krank wird, kann sich den Urlaub erstatten lassen. Dazu muss er seinem Arbeitgeber einfach eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) für den betreffenden Zeitraum vorlegen. Die Personalabteilung kann die Krankheitstage aus dem genehmigten Urlaub herausrechnen und dir den Urlaub gutschreiben. So kannst du ihn zu einem späteren Zeitpunkt erneut beantragen.
Das hat folgenden Hintergrund: Jedem Mitarbeiter steht eine bestimmte Anzahl an Urlaubstagen zu. Der Urlaub soll dazu dienen, dass sich die Beschäftigten erholen und ihre Arbeitskraft wiederherstellen können.
Überstunden und damit ebenso der Überstundenausgleich durch Freizeit haben diese Funktion jedoch nicht. Das hat gar nichts damit zu tun, dass du dich natürlich auch während deines Überstundenausgleichs erholen und entspannen kannst. Es geht allein um den Rechtsanspruch, den Arbeitnehmer auf Urlaub haben.
Während du deine Überstunden abfeierst, stellt dich dein Arbeitgeber lediglich von der Pflicht frei, arbeiten zu müssen. Der Überstundenausgleich an sich ist aber nicht dazu da, dass du deine Arbeitskraft wiederherstellst. Diese Funktion erfüllt rechtlich betrachtet eben nur der Urlaub.
Aus diesem Grund hast du auch keinen Anspruch darauf, Überstunden, die du während deiner Krankheit abfeierst, erstattet zu bekommen. Solltest du krank werden, nachdem du deinen Überstundenausgleich beantragt hast, ist das bitter, denn anders als beim Urlaub kannst du keine Erstattung beantragen.
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