Unkündbarkeit – was bedeutet das genau?
Ein Arbeitsverhältnis kann beendet werden, indem der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag kündigen. In manchen Fällen ist das aber nicht ohne Weiteres möglich, weil ein Mitarbeiter aus bestimmten Gründen unkündbar ist. Wann ist eine Unkündbarkeit gegeben? Und droht unkündbaren Mitarbeitern unter keinen Umständen die Kündigung? Hier erfährst du es.
Unkündbarkeit im Arbeitsrecht: Was bedeutet das?
Unkündbar – was heißt das eigentlich genau? Eigentlich klingt das Wort eindeutig, so dass man annehmen könnte, dass ein Arbeitgeber einem unkündbaren Mitarbeiter in keinem Fall kündigen könnte. Das ist allerdings nicht richtig. Unkündbarkeit bedeutet vielmehr, dass ein Arbeitnehmer einem Beschäftigten nicht ordentlich – und damit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist – kündigen kann. Die Unkündbarkeit ist einseitig; sie gilt nur zugunsten des Arbeitnehmers.
Unkündbarkeit schließt damit eine außerordentliche, fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nicht aus. Weil der Arbeitgeber für eine solche Kündigung allerdings deutlich höhere Hürden überwinden muss, wird eine Kündigung durch einen Unkündbarkeits-Status wesentlich unwahrscheinlicher. Ausgeschlossen ist sie aber nicht. Damit genießen unkündbare Mitarbeiter einen Sonderkündigungsschutz, der jedoch nicht absolut ist.
Wer ist unkündbar?
Ist man unkündbar ab 58 oder 55 Jahren? Oder sogar schon früher?
Was bestimmt überhaupt darüber, wer unkündbar ist? Eine Unkündbarkeit kann sich aus verschiedenen Umständen ergeben. Sie hängt mit bestimmten Merkmalen von Arbeitnehmern zusammen. Üblicherweise ist eine Unkündbarkeit das Resultat der Regelungen eines Tarifvertrags oder von Gesetzen. Sie könnte sich auch aus einem Arbeitsvertrag ergeben, was jedoch selten vorkommt – schließlich ist die Unkündbarkeit eines Mitarbeiters ein Nachteil für Arbeitgeber.
Wann ist man im öffentlichen Dienst unkündbar?
In vielen Fällen ergibt sich eine Unkündbarkeit aus Tarifverträgen. Die Unkündbarkeit ist in der Regel an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit oder ein höheres Alter des Beschäftigten geknüpft. So enthält etwa der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst, kurz TVöD, wichtige Regelungen zur Unkündbarkeit.
Ab welchem Alter ist man unkündbar, wenn man im öffentlichen Dienst tätig ist? In § 34 Absatz 2 Satz 1 TVöD heißt es:
„Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, können nach einer Beschäftigungszeit […] von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden.“
Im TVöD ist Unkündbarkeit im öffentlichen Dienst also sowohl an ein bestimmtes Alter als auch an die Dauer der Betriebszugehörigkeit gebunden. Das Alter alleine sorgt damit nicht für eine Unkündbarkeit nach TVöD.
Unkündbarkeit von befristeten Arbeitsverhältnissen
Ordentlich unkündbar sind außerdem Arbeitsverträge, die mit einer zeitlichen oder sachlichen Befristung einhergehen. Hier gilt die Unkündbarkeit sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer. Sie ergibt sich aus § 15 Absatz 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG). Demnach ist eine ordentliche Kündigung im Regelfall nicht möglich.
Falls es entsprechende Regelungen in einem anwendbaren Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag selbst gibt, kann davon jedoch abgewichen werden. In der Praxis kommt es häufig vor, dass befristete Arbeitsverträge die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung durch beide Vertragspartner offenhalten.
Sonderkündigungsschutz bestimmter Gruppen von Beschäftigten
Unkündbar sind außerdem bestimmte Personengruppen. Hier spricht man nicht von einer Unkündbarkeit, sondern von einem Sonderkündigungsschutz, der sich aus verschiedenen Gesetzen ergeben kann. Betroffen sind zum Beispiel Beschäftigte im Mutterschutz, Mitglieder des Betriebsrats und Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung.
Schwangere Beschäftigte brauchen zum Beispiel weder eine ordentliche noch eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber fürchten. So geht es aus § 17 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) hervor. Ausnahmen sind nicht ausgeschlossen, setzen aber die Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörde voraus.
Vor einer ordentlichen Kündigung geschützt sind Mitglieder des Betriebsrats. Hier ergibt sich der Sonderkündigungsschutz aus dem Kündigungsschutzgesetz. Eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB ist allerdings denkbar. In diesem Fall muss der Arbeitgeber zuvor die Zustimmung des Betriebsrats zu dem geplanten Schritt einholen. In allen anderen Fällen ist eine Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nicht möglich, wenn nicht ein ganzer Betrieb oder eine ganze Abteilung stillgelegt wird.
Auch Azubis und Mitarbeiter in Elternzeit sind besonders vor Kündigungen geschützt
Mitarbeitern mit Schwerbehinderung kann der Arbeitgeber zwar theoretisch ordentlich kündigen. Der Arbeitgeber muss aber zuvor die Schwerbehindertenvertretung anhören, außerdem ist eine Zustimmung des Integrationsamts erforderlich. Ihr Sonderkündigungsschutz ist damit weniger ausgeprägt.
Auch Azubis sind gesondert vor einer Kündigung durch den Ausbildungsbetrieb geschützt. Während der Probezeit, die zwischen einem und vier Monaten dauern kann, gilt dieser Sonderkündigungsschutz noch nicht. Nach dem Ende der Probezeit ist eine Kündigung nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) nur noch fristlos aus wichtigem Grund möglich, und zwar für beide Seiten.
Einen Sonderkündigungsschutz genießen auch Mitarbeiter in Elternzeit. Während der Elternzeit ist eine Kündigung durch das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ausgeschlossen. In Ausnahmefällen ist sie jedoch denkbar, wenn die zuständige Aufsichtsbehörde dem zugestimmt hat. Dieser gesonderte Kündigungsschutz beginnt schon zum Zeitpunkt, wo die Elternzeit beantragt wird, aber maximal acht Wochen vor deren tatsächlichem Beginn. Ähnlich sind die Regelungen zur Kündigung während einer Pflegezeit.
Besonders vor Kündigungen geschützt sind außerdem weitere Vertreter bestimmter Gruppen von Beschäftigten, darunter Gleichstellungsbeauftragte, Schwerbehindertenvertreter und Jugend- und Auszubildendenvertreter.
Wann droht eine Kündigung trotz Unkündbarkeit?
Ob und unter welchen Voraussetzungen einem unkündbaren Mitarbeiter gekündigt werden kann, hängt davon ab, wodurch sich dessen Unkündbarkeit oder der Sonderkündigungsschutz ergibt.
In der Regel ist eine außerordentliche, fristlose Kündigung weiterhin möglich. Sie setzt nach § 626 BGB einen wichtigen Grund voraus. Es müssen „Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist […] nicht zugemutet werden kann“.
Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntwerden der Tatsachen erfolgen, wegen denen es zu der Kündigung kommt. Der Arbeitgeber muss auf Verlangen des Arbeitnehmers schriftlich mitteilen, warum er das Arbeitsverhältnis fristlos kündigt.
Unkündbare Mitarbeiter sind außerdem nicht in jedem Fall vor einer betriebsbedingten Kündigung geschützt. Sofern der Betrieb komplett stillgelegt wird oder es für einen unkündbaren Beschäftigten keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gibt, kommt eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen grundsätzlich infrage. Der Arbeitgeber muss zuvor alles versucht haben, um die Kündigung zu umgehen. Ist sie unumgänglich, kann sie als außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ausgesprochen werden.
Außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen: nicht fristlos
Gibt es zwingende betriebsbedingte Gründe, können Arbeitgeber auch unkündbaren Mitarbeitern kündigen. Es handelt sich dann um eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB, die allerdings nicht fristlos erfolgen darf. Der Arbeitgeber muss zwingend eine Auslauffrist einhalten. Die Auslauffrist muss so lang sein wie eine reguläre Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung.
Dass eine fristlose Kündigung aus betriebsbedingten Gründen bei Unkündbarkeit nicht möglich ist, hängt damit zusammen, dass unkündbare Mitarbeiter sonst gegenüber nicht unkündbaren Mitarbeitern schlechter gestellt wären. Diese wüssten dann deutlich früher, dass sie entlassen werden.
Gekündigt trotz Unkündbarkeit: Was kann man tun?
Wie du siehst, bedeutet Unkündbarkeit nicht, dass eine Kündigung durch den Arbeitgeber unter allen Umständen ausgeschlossen wäre. Wenn du also trotz deiner Unkündbarkeit oder einem Sonderkündigungsschutz eine Kündigung erhältst, muss das nicht rechtswidrig sein. Es kommt darauf an, auf welche Gründe sich der Arbeitgeber bei der Kündigung beruft.
Dennoch gibt es für eine Kündigung von unkündbaren Mitarbeitern hohe Hürden, die meist nicht leicht zu erfüllen sind. Deshalb lohnt es sich in vielen Fällen, eine Kündigung trotz Unkündbarkeit oder Sonderkündigungsschutz juristisch anzufechten. Dafür solltest du dir unbedingt einen Fachanwalt suchen, der dich individuell beraten kann. Er kann dir eine Einschätzung geben, ob eine Kündigungsschutzklage in deinem Fall aussichtsreich ist oder nicht.
Eine Kündigungsschutzklage lohnt sich bei Unkündbarkeit häufig. Oft einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Rahmen einer solchen Klage darauf, das Arbeitsverhältnis unter Zahlung einer Abfindung an den Beschäftigten zu beenden.
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