Zwischen Whistleblowing und Geheimnisverrat
Snowden, Assange, Manning – das sind die Namen der Whistleblower, die wohl die halbe Welt kennt. Doch auch im Kleinen ist Whistleblowing möglich, etwa wenn Beschäftigte oder Insider Informationen über Fehlverhalten an die Öffentlichkeit weitergeben. Welche Konsequenzen drohen und wie diese Personen geschützt werden, verraten wir hier.
Definition Whistleblowing: Was versteht man darunter?
Personen, die von einem Unrecht Kenntnis erlangen und dies melden, werden als Whistleblower bezeichnet. Den Vorgang, also die Meldung dieses Verhaltens oder den Hinweis darauf, nennt man Whistleblowing. Whistleblowing bezieht sich jedoch nicht nur auf bereits Geschehenes. Auch Hinweise auf geplante Taten oder Verstöße gehören dazu.
Eine deutsche Übersetzung für den Begriff Whistleblowing gibt es nur näherungsweise. Hierzulande spricht man zum Beispiel von Enthüllern oder Skandalaufdeckern. Möglich ist aber auch – etwas neutraler – der Begriff Hinweisgeber. Spätestens seit Edward Snowden ist der Begriff Whisteblower im deutschen Sprachraum bekannt und wir wissen, dass ein Whistleblower jemand ist, der Missstände aufdecken möchte.
Und auch das lehrt uns der Fall Snowden: Whistleblower müssen hin und wieder dafür büßen, dass sie sich für die Gesellschaft einsetzen. Denn es kann durchaus sein, dass sie trotz ihrer gut gemeinten Taten selbst negative Konsequenzen in Kauf nehmen müssen. So lebt Snowden seit den Enthüllungen im Jahr 2013 in Moskau und es ist fraglich, ob er jemals wieder in sein Heimatland zurückkehren kann.
Aber auch in den Fällen, in denen es nicht so weitreichende Konsequenzen wie im Falle Snowden gibt, haben es Whistleblower nicht immer leicht. Vor allem in Deutschland gibt es kaum verbindlichen Regelungen, um diese Personen zu schützen. Wer in Deutschland Whistleblowing betreibt, muss einkalkulieren, dass er sein berufliches Fortkommen und/oder seinen Job riskiert.
Beispiele: Bekannte Whistleblower
Neben dem bereits erwähnten Edward Snowden, der 2013 öffentlich machte, dass die amerikanische National Security Agency (NSA) weltweit unrechtmäßig Kommunikationskanäle abhörte, gibt es noch weitere bekannte Whistleblower:
- Julian Assange: Der Wikileaks-Gründer, der unter anderem dadurch bekannt wurde, dass er Verfehlungen des amerikanischen Militärs bei Einsätzen bekannt machte. Aufgrund seiner Enthüllungen wurde Assange bereits mehrmals verhaftet. Aktuell wird vor einem Gericht in London die Frage erörtert, ob Assange in die USA ausgeliefert werden soll. Dort soll ihm der Prozess wegen Geheimnisverrat gemacht werden, da auf der Plattform Wikileaks unter anderem brisante Informationen über amerikanische Militäreinsätze veröffentlicht wurden.
- Chelsea Manning: Hört man den Namen Assange, denkt man vermutlich auch schnell an sie. Vor ihrer Geschlechtsumwandlung gehörte sie (noch als Bradley Manning) den amerikanischen Streitkräften als IT-Spezialistin an. Im Zuge ihrer Arbeit kam sie an Informationen über das Verhalten ihrer Kameraden im Irakkrieg und war bestürzt. In der Folge lud sie 2010 ungefähr 400.000 Dokumente auf die Plattform Wikileaks hoch, die Fehlverhalten belegten. Sie wurde unter anderem der Spionage und des Diebstahls vertraulicher Dokumente angeklagt und 2013 schuldig gesprochen. Aktuell ist sie jedoch auf freiem Fuß.
Whistleblowing im Unternehmen
Mitarbeiter, die erwägen, bei ihrem Arbeitgeber vorherrschende Missstände aufzudecken und damit Whistleblowing am Arbeitsplatz zu betreiben, überlegen sich diesen Schritt meist gut. Denn aufgrund des Arbeitsvertrags sind sie ihrem Arbeitgeber gegenüber zu Loyalität verpflichtet. Und diese Pflicht wird schnell verletzt, wenn man der Öffentlichkeit Betriebsgeheimnisse zugänglich macht.
Selbst wenn es nicht zu einer Kündigung oder Abmahnung kommt, kann Whistleblowing unschöne Folgen für den Hinweisgeber haben. Die übrigen Mitarbeiter werden ihn vermutlich in Zukunft genau beobachten und sich in seiner Nähe eher zurückhalten. Denn sie könnten vermuten, dass auch sie beim nächsten Mal vom Whistleblowing betroffen sein könnten. Über kurz oder lang werden Whistleblower daher vermutlich von den übrigen Kollegen ausgegrenzt und fristen ein eher zurückgezogenes Dasein.
Diese Gefahr ist umso größer, wenn der vermeintliche Hinweisgeber keine krassen Verstöße, sondern eher Lappalien öffentlich gemacht hat. Konkret: Wer einen anderen Kollegen beim Vorgesetzten oder Chef anschwärzt, weil er private Dokumente über den Firmendrucker ausdruckt, wird vermutlich eher als Denunziant oder Petze statt als Whistleblower gelten. Und mit Petzen möchte man nur ungern etwas zu tun haben.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch die echten Whistleblower im Unternehmen, die wirkliche Missstände an die Öffentlichkeit weitertragen. Handelt es sich dabei um strafbares Verhalten wie Korruption oder Insiderhandel, hat das häufig auch für den Arbeitgeber Konsequenzen. Denn seine Machenschaften könnten nun juristisch verfolgt werden.
Whistleblowing, Denunzierung und Geheimnisverrat: Die Unterschiede
Die Abgrenzung von Whistleblowing, Denunzierung und Geheimnisverrat ist manchmal gar nicht so einfach. Denn Whistleblowing geht mit Geheimnisverrat einher – sonst wäre es ja gar kein Whistleblowing. Beim Whistleblowing spielt jedoch das Motiv des Whistleblowers eine entscheidende Rolle.
Whistleblowing hat immer etwas damit zu tun, dass man einen Verstoß eines Machthabenden (im weitesten Sinne) öffentlich macht, weil man dessen Verhalten für ethisch oder moralisch verwerflich hält. Whistleblower möchten keinen persönlichen Vorteil für sich, sondern streben danach, dass die Öffentlichkeit über die Machenschaften bestimmter Personen, Firmen oder Institutionen Bescheid weiß.
Bei Denunzianten muss das nicht immer so sein. Das Wort Denunziant hat nämlich einen negativen Beigeschmack. Hier könnte auch immer eine Rolle spielen, dass sich die Person mit der Denunzierung einen Vorteil verschaffen möchte – jedenfalls verstehen die meisten das Wort wohl mit dieser Konnotation.
Die Abgrenzung zum Geheimnisverrat ist noch schwieriger. Denn Whistleblower verraten eben in den meisten Fällen Geheimnisse und machen Dinge öffentlich, die eigentlich unter Verschluss bleiben sollten. Jedoch kann auch hier die potenzielle persönliche Bereicherung den Unterschied machen: Whistleblower streben beim Geheimnisverrat nicht danach, selbst Profit aus diesem zu schlagen. Im Gegenteil: In vielen Fällen erleben sie nach dem Geheimnisverrat sogar Nachteile.
Personen, die dagegen Betriebsgeheimnisse an die Konkurrenz weitergeben und sich dafür bezahlen lassen, lassen viel einfacher klassifizieren. Denn sie verraten die Betriebsgeheimnisse gerade deshalb, weil sie sich davon einen Vorteil versprechen.
Die Nachteile des Whistleblowing
Für die Gesellschaft kann Whistleblowing durchaus Vorteile haben – für den Whistleblower selbst aber nicht immer. Hinzukommt noch eine weitere Gefahr, die das Whistleblowing mit sich bringen kann: Das Instrument kann nämlich von falscher Seite missbraucht werden. Zum Beispiel, um absichtlich falsche Informationen über Personen oder Institutionen zu streuen.
Whistleblowing wird in solchen Fällen ins Gegenteil verkehrt. Denn statt zur Aufklärung der Öffentlichkeit beizutragen, wird das Instrument genutzt, um die Öffentlichkeit zu täuschen.
Die juristischen Folgen für Whistleblower
In Deutschland sind Whistleblower häufig immer noch nicht durch den Gesetzgeber geschützt. Das beginnt am Arbeitsplatz damit, dass dem Hinweisgeber im schlimmsten Fall die fristlose Kündigung droht. Denn Mitarbeiter, die Betriebsgeheimnisse öffentlich machen, verletzen rechtlich betrachtet zunächst die Loyalitäts- und Treuepflicht dem Arbeitgeber gegenüber. Das Arbeitsrecht kennt abseits davon noch keine speziellen Regelungen für Whistleblowing.
Nur in bestimmten Branchen, wie zum Beispiel der Finanzbranche, sind Arbeitnehmer, die Fehlverhalten ihres Arbeitgebers publik machen, durch den Gesetzgeber geschützt.
Der Fall Snowden hat jedoch dazu beigetragen, dass es seit 2019 in Deutschland das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) gibt. Damit ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Vollständigen Schutz für Whistleblower bietet jedoch auch diese gesetzliche Regelung nicht.
Die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern
Die sogenannte Whistleblowing-Richtlinie der EU besagt außerdem, dass in Deutschland bis Ende des Jahres 2021 noch einiges unternommen werden muss, um Hinweisgeber in Zukunft besser vor Repressalien oder anderen Folgen zu schützen.
So soll es nicht mehr möglich sein, dass sich Arbeitgeber auf bestimmte Geheimhaltungsklauseln berufen können, um Fehlverhalten unter Verschluss zu halten. Außerdem darf eine derartige Klausel nicht dafür verwendet werden, Whistleblower nicht zu schützen oder ihnen sogar mit Sanktionen zu drohen, wenn sie das Fehlverhalten öffentlich machen.
Des Weiteren besagt die Richtlinie 2019/1937 des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, dass private und öffentliche Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern zu weiteren Maßnahmen verpflichtet sind. Die betreffenden Unternehmen und Organisationen müssen ein sogenanntes Hinweisgebersystem einrichten, um Whistleblowing zu erleichtern und Whistleblower besser zu schützen.
Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft
Die meisten Personen finden es vermutlich gut, wenn unethisches Verhalten oder ungerechte Machenschaften aufgedeckt werden. Daher erfreut sich Whistleblowing in der Gesellschaft einer recht großen Akzeptanz. Mehr noch: Viele Menschen bewundern Whistleblower sogar, weil diese ihre eigene Karriere oder gar ihr bisheriges Leben dafür riskieren, gravierende Missstände aufzudecken.
Mittlerweile gibt es sogar Vereine und Netzwerke, die Whistleblowing unterstützen und fördern. Diese Initiativen sollen es Personen erleichtern, unmoralisches Verhalten zu melden.
In Deutschland wird jedes Jahr ein Preis für Whistleblowing verliehen. Die Vereinigung Deutscher Wissenschafter (VDW) in Zusammenarbeit mit der deutschen Sektion der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (IALANA) hat den Preis ins Leben gerufen und organisiert alle zwei Jahre die Preisverleihung. Das Ziel: Die Öffentlichkeit soll für die Wichtigkeit des Whistleblowing sensibilisiert werden.
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